Re: Balsam und Gift

Krishna-Bewusstsein

Geschrieben von Parivadi das am 22. Februar 2006 22:23:12:

Als Antwort auf: Balsam und Gift geschrieben von kohle am 21. Februar 2006 21:49:

Liebes Kohlchen,

Du schreibst unter anderem:

>In der indischen Gesellschaftsordnung und Kultur kenne ich mich nicht gut aus. Ursprünglich wurde die Entwicklung des Menschen zum Krshna-Bewusstsein in fünf Stufen aufgeteilt. In diese Stufen wurde auch das gesellschaftliche Kastensystem eingeteilt.

Du darst die varnas (Kasten ist eine spätere verzerrte Form der ursprünglich gedachten varnas) nicht mit den Bewusstseinsstufen vermischen. Es ist zwar grundsätzlich zu beobachten, dass viele Menschen gleicher Bewusstseinsstufe einem bestimmten varna angehören mögen, aber es ist nicht zwingend. Ein einfaches Beispiel:

Ein Staßenfeger von Beruf kann ein völlig verwirklichter gottesbewusster Mensch sein. Es gibt dann auch Brahmanen, die nicht unbedingt so fortgeschritten sein mögen. Man muss also zwischen dem varna (das ist die gesellschaftliche Funktion eines Menschen) und der Bewusstseinsstufe unterscheiden. Beim später entarteten System der Kasten hat sich dann eben leider der Fehler der Gleichsetzung von varna und Bewusstseinsstufe eingeschlichen. Man hat einfach gesagt, der Sohn eines Geistlichen sei dann eben auch ein Geistlicher. Das ist völliger Unsinn. Vielmehr kommt es auf die Qualifikation an, nicht auf die Geburt! Die Hare-Krishna-Bewegung tritt für die Richtigstellung des Kastensystem-Irrtums ein und es wurden hochrangige Mitglieder der Hare-Krishna-Bewegung aus diesem Grunde oft von Kasten-Hindus angefeindet, ja bedroht. Aber es darf da keinen Kompormiss geben. Jeder Mensch muss aufgrund seiner Qualifikation betrachtet werden, nicht aufgrund von Geburt. Auch die gesellschaftliche Stellung, der Beruf, dürfen für das Ansehen einer Person keine Rolle spielen. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, besonders durch Bhakti-Yoga, sich auf höhere Bewusstseinsstufen zu schwingen. Dieses Hinaufschwingen ist nicht davon abhängig, dass man seine gesellschaftliche Stellung verändert. Vielmehr ändert sich der Lebensstil, insbesondere innerlich.

Weiter schreibst Du:

>Auf der untersten Stufe/Kaste stillt der Mensch seine elementaren natürlichen Bedürfnisse an Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Sexualität. Er lebt aus seinen natürlichen Triebbedürfnissen heraus. Dieser Lebenszustand wurde der Kaste der Unberührbaren zugeordnet.<

Ja, nach außen mag es so aussehen, aber es gibt auch sog. Unberührbare, die uns hoch überlegen sind.

>Über drei Zwischenstufen/-Kasten kann der Mensch zur obersten Stufe/Kaste gelangen.<

Bitte zeige mir eine Fundstelle in den Veden, wo dieses System in dieser Weise erklärt wird. Aus der Bhagavad-gita kannst Du es jedenfalls nicht entnehmen. Dort heißt es (9.32):

"O Sohn Prithas, diejenigen, die bei Mir Zuflucht suchen, können das höchste Ziel erreichen, auch wenn es sich um Frauen, Kaufleute oder Arbeiter handelt."

Niemand muss also warten, bis er in den nächsten Geburten höher angesehene gesellschaftliche Positionen erreicht. Jeder kann direkt die höchste Bewusstseinsstufe anstreben und Fortschritte machen. Insbesondere der Pfad des Bhakti-Yoga ist die geeignete Methode für diesen Durchmarsch. Die Lehren von Jesus Christus sind damit identisch, da er ebenfalls ein autorisierter Lehrer des Bhakti-Pfades ist.

Das bedeutet nun nicht, dass es nicht auch den Weg des allmälichen Fortschreitens in höhere feinere tugendhaftere Lebenssituationen gibt. Es ist klar, dass ein Automechaniker im Ölschlamm es etwas schwerer hat, die Ruhe zu bewahren und im yoga verankert zu sein als ein Priester, der Zeremonien ausführt. Die äußere Situation begünstigt einen schon, wenn es ruhiger und harmonischer zugeht. Das Problem bei diesem aufsteigenden allmälichen Vorgang ist jedoch, dass es überhaupt keine Garantie dafür gibt, dass man jemals das wirkliche Ziel erreicht, nämlich Krishna-Bewusstsein. Gerade im jetzigen Zeitalter des kali ist der allmäliche Vorgang nicht zu empfehlen, da er zu lange dauert und viele Ablenkungen auch für die feineren Berufsgruppen gegeben sind, die sie wieder vom Weg abbringen können. Es gibt so viele feinstoffliche Verführungen. Wir müssen daher - wenn wir nachhaltigen Fortschritt machen wollen - Zuflucht direkt bei Gott suchen. In der Hare-Krishna-Bewegung chanten wir aus diesem Grunde den für das kali-yuga empfohlenen Maha-Mantra:

Hare Krishna Hare Krishna
Krishna Krishna Hare Hare
Hare Rama Hare Rama
Rama Rama Hare Hare

Das können wir auch tun, wenn wir bei der Müllabfuhr arbeiten etc. Alle Tätigkeiten, die für Krishna ausgeführt werden, befinden sich auf der transzendentalen Ebene. Das ist die höchste Mystik.

>Mit der obersten Stufe/Kaste sucht der Mensch eigene Antworten auf die Frage nach dem Warum. Das ganze Gesellschaftssystem und Leben wird in frage gestellt. Der Mensch stößt an die Grenze seiner Möglichkeiten und erkennt seine Grenzen. Erst auf dieser Stufe kann der Mensch das irdische loslassen und durch göttliche Gnade zum Krshna-Bewusstsein gelangen.<

Es stimmt schon, dass die Priester- und Gelehrtengruppe (die Brahmanen) prädestiniert sind, die höheren Fragen des Lebens zu stellen und zu beantworten. Bhakti-Yoga kann jedoch von jedem begriffen werden, der ehrlichen Herzens sucht, auch wenn er nicht so philosophisch begabt ist. Dies unterscheidet den Pfad des Bhakti-Yoga (Yoga des Herzens) vom Pfad des jnana-yoga (Yoga des Wissens). Es stimmt: jnana-yoga wird von Philosophen praktiziert, die meistens männlich sind. Das ist auch gut, aber nur, wenn diese Philosophen dann zur richtigen Schlussfolgerung kommen, nämlich Bhakti!!! Wenn sie beim jnana stehen bleiben, werden sie mit der Zeit innerlich trocken und kommen nicht mehr weiter. Aus Frustration droht der Niedergang in weiter unter liegende Bewusstseinszustände. Auch Philosophen müssen also - obwohl sie weit fortgeschritten sind - letztlich beim Bhakti-Yoga Zuflucht suchen, um eine sichere freudvolle Position einnehmen zu können. Sie mögen lange brauchen, und viele andere, die einfacher gestrickt sind, kommen oft viel schneller ans Ziel, zum Beispiel Frauen, die praktischer denken als Männer und gleich einen effektiven Kurs einschlagen. Krishna lädt sie ein. So schreibt Shrila Prabhupada zum Beispiel, dass man in Gotteshäusern oft einen größeren Anteil an Frauen fromm teilnehmend sieht als Männer. Wenn es also um Bhakti geht, dann spielen die gesellschaftlichen Rollen keine so große Bedeutung mehr. Absolut gesehen ist es nicht von Belang, welche gesellschaftliche Rolle man spielt. Nun aber noch gleich was zur Ergänzung:

Die gesellschaftliche Stellung spielt zwar keine Rolle im Bhakti-Yoga, jedoch die Lebensart. Es besteht ein großer Unterschied zwischen einem ordentlichen, gezügelten Handwerker und einem Handwerker, der sich gehen lässt, dem die Kunden egal sind etc. Man kann also höhere brahminische Werte auch in den anderen gesellschaftlichen Gruppen kultivieren. Ja! Das wird auch im Bhakti-Bereich verlangt!!! Das muss gesagt werden, sonst kommt es zu einem Missverständnis. Es geht in allen gesellschaftlichen Bereichen darum, vorbildliche Bhakti-Eigenschaften zu kultivieren, die den brahminischen Eigenschaften ebenbürtig, ja sogar überlegen sind. Daher sagt Shrila Prabhupada in einem Kommentar zur Bhagavad-gita:

"Ein ehrlicher Straßenfeger ist weitaus besser als ein Scharlatan, der nur meditiert, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen." (s. Kommentar zu 3.7, letzter Satz) Auch hier kommt wieder zum Ausdruck, dass es eben nicht nötig ist, seinen Status zu verändern. Vielmehr geht es darum, ehrlich zu sein und Gott zu dienen. Dann geht es im Leben voran.

>Gelingt dem Menschen dieser Absprung nicht, so dreht ihn das Rad seiner ständigen Veränderung weiter und er beginnt wieder auf der 1. Stufe des Kreislaufs.<

Ja, wenn man nicht zum Bhakti-Pfad gelangt, droht ein Abstieg. Dieser Abstieg muss aber nicht unbedingt so krass ausfallen. Es gibt da alle möglichen Variationen.

>Der Ausbruch aus diesem irdischen Teufelskreis zu einem der Planeten Krsnas kann nur in der Liebeskraft von Krsna und durch Selbstübergabe erfolgen.<

Ja!

>Der Durchlauf dieser fünf Bewusstseins- oder Lebenszustände erfolgt in der Regel nicht in einem Leben. In jeder Lebensstufe ändern sich Bewusstsein und Karma. Da dieser Erlösungsweg in der Regel über mehrere Reinkarnationen verläuft, wurde der in der Bhagavad-Gita beschriebene Glaubensweg in der Familientradition von Generation zu Generation weitergegeben.<

In den Zeitaltern vor dem kali-yuga gab es so etwas wie den Aufstieg durch verschiedene varnas (nicht Kasten bitte!), denn - wie oben beschrieben - bringen feinere Tätigkeiten einen Vorteil bei der Kultivierung der Erscheinungsweise der Tugend. Es ist einfach leichter, tungenhaft zu leben, wenn man auf dem Land ist, meditativen Tätigkeiten nachgeht etc. Klar, diese Lebensumstände begünstigen insbesonder den Menschen, der sich mit karma-yoga und jnana-yoga beschäftigt. Dennoch ist es kein absolutes Erfordernis, die varnas zu durchlaufen. Es gibt auch große Philosophen unter den anderen varnas. Mein Vater z. B. war Dreher in einer Fabrik, hat sich jedoch in seiner Freizeit sehr intensiv mit Philosophie beschäftigt und war darin vielen überlegen, die beispielsweise als Lehrer an Schulen gearbeitet haben. Solche Phänomene gibt es immer. Nun aber nochmal zur Ausnahmestellung des bhakti-Pfades: Gerade hier - wie schon oben beschrieben - spielt die äußere Stellung am wenigsten eine Rolle; absolut gesehen gar keine! Dennoch - um es nochmal zu wiederholen - wird von jedem Bhakti-Yogi erwartet, dass er brahminische Qualitäten entwickelt, in welcher gesellschaftlichen Position auch immer er sich befindet. In einer Gesellschaft, in der Bhakti-Yoga vorherrscht, findet man daher ausgezeichnete Menschen in jeder Sparte.

>Mit der Einordnung der Menschen in ein gesellschaftliches Kastensystem wurden Staatsmacht und Glaubenskraft vermischt und für die Durchsetzung weltlicher Ideologien benutzt. Diese Entwicklung sehe ich auch bei anderen Staatsreligionen. Über den Buddhismus fehlen mir hierfür jedoch Informationen. Jede Regierung achtet auf die Befolgung ihrer Gesetze. Sie kann aber nicht den einzelnen Bürger überwachen. Deshalb ist eine Religion ein wirksames Hilfsmittel, in den gläubigen Bürger ein Tribunal mit Gottesfurcht und schlechtem Gewissen zu implizieren. Daraus entsteht dann ein psychischer Glaube, dessen silberner Faden zur Seele dann durch Ketten zur Autorität getauscht wird. Aus solcher psychischen Glaubenskraft folgen dann seltsame Entwicklungen wie Dogmatik, Atheismus, Religionskriege, Kreuzzüge usw. . Die Folgen dieser Religionspsychosen sind über die ganze bekannte Geschichte der Menschheit, also auch heute zu beobachten. Es ist die Geschichte der Angst, nicht der Liebe.<

Ja, die religiösen Details der überlieferten Schriften wurden immer wieder missbraucht und zweckentfremdet. Das gilt für alle Religionssysteme. Gerade im vedischen Bereich wurde eben aus dem ursprünglichen System der varnas eine festzementierte Kastenordnung. Bei den varnas ging es darum, dass Menschen mit ihrer jeweiligen Qualifikation eine bestimmte gesellschaftliche Position innehaben sollen. Beispielsweise soll eben ein geschickter Mensch Handwerker oder ähnliches werden. So etwas ist einfach sinnvoll. Es soll vermieden werden, dass Menschen Posten bekleiden, für die sie nicht qualifiziert sind. Ein König soll z. B. mutig sein im Kampf und sich nicht hinten verschanzen und die Zivilbevölkerung verheizen. Später wurde aus dem modern anmutenden varna-System (jedem seine Stellung nach Qualifikation) die Kastenordnung, wo einfach die Geburt in einer bestimmten Familie die Position vorgibt, ungeachtet der tatsächlichen Qualifikation. Diese Abirrung finden wir nicht nur bei den Hindus, sondern auch - in etwas anderen Formen - zum Beispiel im Westen, wo es doch eine große Rolle für die Chancen spielt, wieviel Geld man hat. Auch das Geld sollte nicht bestimmen, wer wo in welches Amt kommt. Die Hare-Krishna-Bewegung tritt daher dafür ein, dass Menschen entsprechend ihrer tatsächlichen Qualifikation in der Gesellschaft tätig werden. Dabei sind alle wertvoll, und ihr wirklicher Reichtum ist der Fortschritt in der Gotteshingabe, die in jeder Kategorie gelebt werden kann.

>Die Bhagavad-Gita hat die älteren Familienmitglieder mit der Unterweisung in Religion und Spiritualität bedacht. Gegenüber dem psychischen Glauben kann seelische Glaubenskraft nicht durch die Logik einer Lehre geweckt werden. Die Seele eines Menschen öffnet sich nur dem passenden Schlüssel. Die Sehnsucht des Seele nach IHREM Licht kann nur von DIESEM Licht erschlossen werden. Es liegt nahe, einem erfahrenen, älteren, weisen (?) und vertrautem Menschen aus dem eigenen Familienbund die Herzensangelegenheit der spirituellen Unterweisung in die Hände zu geben.<

Ja, natürlich gebührt den älteren in einer Gesellschaft Ehre, besonders wenn sie die ursprünglichen Werte vermitteln und leben. Die älteren Menschen haben in aller Regel mehr Lebenserfahrung und damit meist auch in spiritueller Hinsicht einen Vorsprung. Schließlich haben sie das Ende der jeweiligen Verkörperung vor Augen und suchen - wenn sie intelligent sind - bei Gott Zuflucht, was die höchste Weisheit ist!

meint
Parivadi das


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