Gefühle V: Zusammenspiel der Intelligenz mit der Überseele
Thema 13/2020
Nachdem wir das Gefühlsthema in vier Teilen ziemlich umfassend behandelt haben möchten wir noch einige wichtige Ergänzungen anbringen, insbesondere die Rolle der Inspirationen und Intuitionen (in unserem Beitrag 12/2020 Trigger genannt).
Es kam in Beitrag 12/2020 so heraus, dass wir den Triggern einfach mal so ausgeliefert sind bzw. ihnen sozusagen blind folgen. Das ist zumindest beim Menschen idR nicht so. Bei einem Hund beispielsweise folgt auf den Trigger (z.B. den Knochen) fast automatisch die körperliche Aktion: Der Hund schnappt nach dem Knochen. Bei Menschen hingegen lassen sich unterschiedliche Reaktionen beobachten:
Beispielsweise sehen wir, dass Menschen aus weniger entwickelten Kulturen beim Anblick einer leicht bekleideten Frau recht unmittelbar zur Vergewaltigung ansetzen, während der gewöhnliche Bürger seinen Kopf vielleicht nach ihr umdrehen mag. Ein frommer Mönch wird möglicherweise absichtlich sein Gesicht abwenden.
Damit ist bewiesen, dass die Trigger nicht automatisch zu bestimmten Handlungen führen. Warum kommt es zu so einem großen Spektrum von Reaktionen?
Um dies zu verstehen, müssen wir einen kleinen Ausflug in das vedische Verständnis vom menschlichen Verhalten machen:
Vorausschickend möchten wir erklären, dass der Faktor Intelligenz der Fels in der Brandung unseres stets in Bewegung befindlichen Gefühlslebens ist oder besser gesagt sein sollte, jedenfalls gilt dies bei tugendhaften Menschen. Bei undisziplinierten Zeitgenossen ist die Intelligenz eher mit einem Schwamm vergleichbar, der leicht nachgibt und damit kein verlässlicher Partner ist. Hier nun die vedische Erklärung für die Stellung der Intelligenz in unserer feinstofflichen Realität:
indriyani parany ahur
indriyebhyah param manah
manasas tu para buddhir
yo buddheh paratas tu sah
„Die aktiven Sinne sind der leblosen Materie übergeordnet, der Geist steht über den Sinnen, die Intelligenz steht über dem Geist, und die Seele steht sogar noch über der Intelligenz.“ (Bhagavad-gita 3.42)
Hier erklärt Shri Krishna Selbst die Hierarchie innerhalb der materiellen Situation, in der wir ja nun mal stecken.
Wir haben bereits verstanden, dass es die Überseele (Paramatma) ist, die uns steuert und zwar entsprechend unseres Charakters. Die Überseele hilft uns, unsere Bestimmung zu finden. Sie ist unser bester Freund. Sie wirkt nach vedischem Verständnis insbesondere auf die Intelligenz ein. Die Intelligenz wird klassisch vedisch als Fahrer des Wagens bezeichnet, in welchem wir, die Seelen, reisen. In der Katha Upanishad wird die Situation treffend wie folgt beschrieben:
„Das Individuum (Die Seele) ist der Reisende im Wagen des materiellen Körpers, und die Intelligenz ist der Fahrer. Der Geist sind die Zügel, und die Sinne sind die Pferde. Auf diese Weise ist das Selbst in Gemeinschaft mit dem Geist und den Sinnen entweder der Genießende oder der Leidende. So wird es von den großen Weisen beschrieben.“
So, jetzt kennen wir grob die Faktoren und die Hierarchie und können nun schlussfolgern, wie die Überseele auf uns einwirkt. Wer es genau wissen möchte, möge bitte insbesondere das dreizehnte Kapitel der Bhagavad-gita studieren.
Die Überseele erinnert uns zu gegebener Zeit an Dinge, die unsere Bestimmung triggern, und sie lässt uns zu gegebener Zeit vergessen.
Grundsätzlich mischt sich die Überseele nicht in unsere Pläne ein, so dass z. B. auch Kriminelle von der Überseele unterstützt werden, z. B. wenn ein Räuber zu gegebener Zeit sich erinnert, wie man den Schweißbrenner zur Öffnung des Tresors handhabt. Ein anderer Dieb mag dies vergessen und damit „erfolglos“ operieren. Der erfolglose Räuber wird sozusagen vor seiner kriminellen Handlung auf diese Weise gerettet.
Nun haben wir ja schon oben gesehen, dass die Trigger, die die Überseele an unsere Intelligenz sendet, nicht zwangsläufig zu einem bestimmten Handeln führen. Warum?
Unsere Freiheit erlaubt es uns in begrenztem Rahmen, den Drängen unserer Sinne und auch den Triggern entgegen zu treten und uns anders zu entscheiden. Beispiele:
Eine leicht bekleidete Frau betritt unser Wohnzimmer, um uns zu verführen. Wenn wir unsere Intelligenz in ausreichender Weise geschult haben können wir „nein“ sagen und uns verabschieden. Jemand, der keinerlei Intelligenz hat, ist hingegen dem Drängen der Sinne hilflos ausgeliefert. Die Schlussfolgerung ist, dass unser spezifisches Verhalten von unserer Intelligenz gesteuert wird, die wiederum von der Überseele abhängt. Zum Beispiel fällt auch bei einem hoch intelligenten Menschen die Intelligenz zuweilen aus. Wenn die Schöne spät nachts ins Zimmer kommt wird es auch für den Intelligentesten schwierig, die Balance zu halten. Die Überseele, unser bester Freund, schickt uns ausgerechnet zu einer ungünstigen Zeit eine Prüfung. Ja, ein Yogi sieht solche Ereignisse als Prüfungen an. Die Überseele testet uns ab und prüft, welche Wünsche noch in uns lauern. Wir sollten dafür dankbar sein! Die Überseele spiegelt zu gegebener Zeit einzelne unserer Charaktereigenschaften wieder, indem sie z.B. Erinnerungen an bestimmte Ereignisse bringt, für die wir uns ggf. schämen oder auch nicht, je nachdem. Das können Anregungen dafür sein, an uns zu arbeiten!
Jedoch: Es gibt Situationen, wo nichts geht, und wir sollten uns dafür nicht selbst verurteilen. In solch extremen Fällen zeigt uns Gott unsere Hilflosigkeit, eben dass wir selbst eben nicht der (die) Höchste sind. Dann sollten wir uns in Ehrfurcht vor der Allmacht des Höchsten Herrn verbeugen. Wir werden zwar geschult mittels Prüfungen in Form verschiedenster Trigger bzw. Ereignissen, werden jedoch niemals perfekt sein:
„Nobody is perfect!“
Zusammenfassung: Entsprechend unserer Intelligenz (Vernunft *** ist in diesem Zusammenhang ein treffendes Synonym), die voll und ganz von der Überseele gesteuert wird, erliegen wir unserer Gefühlswelt oder halten stand. Darum ist es für Yogis extrem wichtig, die Intelligenz zu schulen, insbesondere mittels des Studiums der vedischen Schriften. Wenn die Überseele feststellt, dass wir uns fleißig bemühen, lässt sie uns im entscheidenden Moment idR nicht im Stich, es sei denn sie möchte unseren Hochmut brechen. Wenn wir uns auf diese Weise festigen kommen wir aufgrund der Arrangierungen der Überseele erst gar nicht in brenzlige Situationen. Ja, wer auf diese Weise intelligent ist besucht eben keine Nachtclubs etc. Ein frommer Mensch fordert das Unglück nicht vorsätzlich heraus. Wir wollen zur Freude von Shri Krishna leben und Ihn nicht ständig als unseren Retter missbrauchen.
Je mehr wir auf dem Pfad des Bhakti-Yoga fortschreiten desto mehr gleicht sich unsere Gefühlswelt unserer individuellen transzendentalen Bestimmung an. Das ist die wichtigste Erkenntnis im Zusammenhang mit dem Thema „Gefühle“, so dass wir jetzt guten Gewissens dieses Thema abschließen können.
Zuletzt dürfen wir noch anmerken, dass transzendentales Gefühlsleben unendlich stärker und reichhaltiger ist als weltliche Romanzen etc. Das Chanten des Maha-Mantra bringt uns immer weiter auf diesem transzendentalen Pfad:
Hare Krishna Hare Krishna
Krishna Krishna Hare Hare
Hare Rama Hare Rama
Rama Rama Hare Hare
Ihr Diener
Parivadi dasa
*** Der Begriff Vernunft fiel uns erst nach Abschluss dieses Thema's ein. Darum haben wir ihn noch nachträglich eingefügt, denn natürlich ist es unser Ziel, die Vernunft unserer Leser anzusprechen. Intelligenz kann leider auch unvernünftig sein, z. B. bei dem oben beschriebenen Bankräuber. Intelligenz tritt also in verschiedensten Spielarten auf, z. B.:
- Geschickte Glücksspieler und Betrüger aller Art
- Erfolgreiche Kriminelle aller Art, z. B. korrupte Politiker, die erst mal das ergaunerte Vermögen genießen (was natürlich immer irgendwann böse endet!)
- Vernünftige Menschen, die wissen, dass ein tugendhafter Lebensstil zwar beschwerlich sein mag aber letztlich zu dauerhaftem Glück führt
- Künstler und Wissenschaftler aller Art haben ihre spezifische Intelligenz aufgrund der erworbenen Qualifikationen
- usw usw, da gibt es unendlich viele Spielarten der Intelligenz, für jede(n) das seine (ihre)
Nachtrag (hoffentlich der letzte, das Thema ist halt unerschöpflich): Wir sollten jetzt verstanden haben, dass unsere Gefühlswelt selbstverständlich die Lebensqualität anzeigt, in der wir uns befinden, jedoch kann auf Gefühle keine wirklich stabile Situation gebaut werden, weil Gefühle sich nun mal ständig verändern. Solange unsere Gefühle nicht direkt aus der ewigen Transzendenz direkt resultieren benötigen wir Intelligenz, um irgendwie klar zu kommen! Die Intelligenz erhalten wir von der Überseele entsprechend des Grades unserer Gottesverwirklichung. Hier noch ein Beispiel für die Stellung der Gefühle in unserem Leben:
Reinhold Messner konnte die Achttausender nur aufgrund seiner Disziplin meistern. Seine Gefühlswelt war sicher in vielen Situationen jenseits von gut und böse. Die Gefühle helfen nicht viel, wenn es ernst wird! Da braucht man (sie) eine starke Intelligenz! Wenn wir hart an uns arbeiten stellt sich als Nebeneffekt meist große Zufriedenheit ein, also ein schönes Gefühl, besonders wenn die Ehrung erfolgt. Vor den schweren Prüfungen inspiriert die Überseele einen geeigneten Kandidaten natürlich ebenfalls mittels des Triggers Verlangen, das Ziel zu erreichen. Oft ist es also auch so, dass unsere Gefühle unterstützend wirken. Wenn dies nicht der Fall ist, sollten wir mit Vernunft - sofern vorhanden - das Ziel ungeachtet quer treibender Gefühle anvisieren. Wer ist denn nun ein geeigneter Kandidat? Es ist jemand, der aufgrund seiner Vergangenheit sich eine bestimmte göttliche Unterstützung verdient hat! Das soll jedoch nicht den Eindruck erwecken, ungeeignete Kandidaten sollten aufgeben. Nein, die Barmherzigkeit Gottes kann alles ausgleichen, sofern wir unser Haupt beugen und hoffen. Jeder hat direkten Zugang zur Allmacht Gottes und zwar in dem Maße, wie er nach göttlicher Führung strebt. Eigensinnige self-made-(wo)men haben nur sehr begrenzte Aussichten auf ein glückliches Leben.
Dieser Beitrag brachte den Autoren jetzt an seine Grenzen. Wir beugen unser Haupt und hoffen, dass es den ein oder anderen ein wenig inspiriert!!!
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