Sehnsucht

Beitrag 14/2010

Wenn im Frühling die Sonnenstrahlung wieder intensiver wird, erwachen die Blumen schon bald und treten aus dem Schlummerzustand hervor. Auch manchen Winterschläfer zieht es wieder hinaus aus der Höhle. Shri Krishna erlärt in der Bhagavad-gita:

na hi kascit ksanam api
jatu tisthaty akarma-krit
karyate hy avasah karma
sarvah prakriti-jair gunaih

"Jeder ist gezwungen, hilflos nach den Drängen zu handeln, die von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur hervorgerufen werden; deshalb kann niemand auch nur einen Augenblick aufhören, etwas zu tun."

Dieses Lebensprinzip entspringt der Sehnsucht, die im Herzen brennt und je nach den Gesamtumständen, in denen sich ein Lebewesen befindet, zum Ausdruck kommt.

Wir suchen nach Freude!

So einfach ist die vedische Erklärung für das Geschehen in der ganzen Welt!

om ananda-mayo 'bhyasat

"Der Höchste ist von Natur aus voller Freude!"

(Vedanta-sutra 1.1.12)

Wäre es nicht so, dann könnten wir nämlich getrost alles beenden und uns in die Leere verflüchtigen. Diese Variante ist jedoch eine Sackgasse, die nicht mit der absoluten Natur in Einklang steht. Wir sind und bleiben spirituelle Einheiten, auch wenn manche aus Frustration - erfolglos - den Zustand des Nichtseins anstreben.

Der Lebensüberdruss, der heute vielerorts beobachtet werden kann, resultiert aus einer unvorteilhaften Lebenshaltung unter der Herrschaft der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Ursache für die Versetzung in solch depressive Umstände ist die individuelle Verweigerungshaltung. Dabei verkennt man, dass es die ewige Natur des Lebewesens ist, ein Diener zu sein. Wer dies nicht wahrhaben möchte, wird im Lauf der Zeit mehr und mehr in geistige Umnachtung geraten, die sich in verschiedenen Ausprägungen wie Irrsinn, Größenwahn, Depression, Versuchen der Selbstauslöschung und ähnliche Weise manifestiert.

Besser als solch selbstzerstörerische Pfade ist die leidenschaftlich geprägte Glückssuche. Die Erscheinungsweise der Leidenschaft steht zwischen der Erscheinungsweise der Unwissenheit und der Erscheinungsweise der Tugend. Ein leidenschaftlich eingestelltes Lebewesen strebt planmäßig ein ihm lohnenswertes Ziel an, möchte sich in der Welt vergnügen, in schön eingerichteter Umgebung, auf Reisen in Jets und anderen Fahrzeugen, Einfluss geltend machen und Ansehen genießen; im Kreis von adeligen Verwandten und Freunden der Gönner sein und auch derjenige, der den Staat zum Wohle der Bürger verwaltet. Es ist ein Geschmack, der das Lebewesen zu einem solchen Lebensstil antreibt, jedenfalls erhofft man sich Befriedigung.

Shri Krishnas Darstellungen dieser Tatsachen sind präzise, ja fast schon schockierend für diejenigen, die sich gerne für etwas besonderes halten möchten. Die Schriften des Vaishnavatums sind gerade in dieser Beziehung einzigartig, weil sie die Hintergründe des Weltgeschehens in ihrer Essenz darstellen und überheblichen Machenschaften den Boden entziehen. Die Gleichheit der Lebewesen zeigt sich eben darin, dass sie von dem Drang nach Glück geleitet werden. Seine göttliche Gnade A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada veranschaulicht den aussichtslosen Versuch nach Vorherrschaft in der Welt, indem er treffend feststellt, dass Größenwahnsinnige wie Alexander der Große, Napoleon, Hitler und Stalin allesamt gescheitert sind. Sie waren eben auch nur Marionetten in der Matrix der materiellen Welt, die von Maya gesteuert wird:

"Die äußere Energie Maya, die ihrem Wesen nach der Schatten der Chit-Energie ist, wird von allen Menschen als Durga verehrt, die erschaffende, erhaltende und vernichtende Bevollmächtigte der materiellen Welt. Ich verehre bewundernd den urersten Herrn Govinda, nach dessen Willen Durga ihre Pflicht erfüllt." (Brahma Samhita 5.44)

Wir leben also tatsächlich in einer Matrix und sind nicht im geringsten unabhängig, und unsere Werke, ja auch unsere Körper, sind ständig von Vernichtung bedroht; ähnlich wie Daten auf der Festplatte auf Knopfdruck einfach gelöscht oder geändert werden können.

Diese Nüchternheit und die dazu gehörenden Erkenntnisprozesse sind Merkmale der Tugend. In einer tugendhaften Gemütsverfassung erkennen wir mehr und mehr, welche Rollen wir und die anderen in der Matrix - also in dem Weltendrama - spielen. Von Auflehnung kann dabei keine Rede sein. Wir sind es ja selbst, die wir uns durch unsere Haltung in diese Situation gebracht haben. Wenn wir jetzt wahre Dienstbereitschaft zeigen, dann machen wir - so drückt es Shrila Prabhupada aus - das Beste aus dem schlechten Geschäft; das bedeutet zunächst einmal, die göttliche Natur anerkennen und wertschätzen zu lernen und positive Beziehungen zu pflegen; zum Wohl für sich selbst und die anderen.

Die innere Sehnsucht nach Glück ist allen Lebewesen gemeinsam und kann im Dienst für Shri Krishna unbegrenzt gesteigert und erfüllt werden, ganz unabhängig von den äußeren Vorgaben der Matrix!

Die Vielfalt, die wir auf der Welt wahrnehmen, ist nichts anderes als ein Abglanz der spirituellen Reichhaltigkeit der absoluten Wahrheit, Shri Krishna. Weil wir mit Shri Krishna ewig verwandt sind, sind wir auch zur Vielfalt hingezogen und möchten teilhaben, unsere Rolle spielen; als König(in), Prinz oder Prinzessin, als Ritter oder Mönch, als Dichter, Musiker oder Bildhauer, als Landwirt, Beamter, Angestellter oder Arbeiter, als Politiker, Sozialarbeiter oder Geistlicher oder als sonstiger Dienstleistender. Das ewig glücksspendende Hauptprinzip ist in allen uns zukommenden Rollen unsere positiv gesinnte Dienstbereitschaft.

Umgekehrt entsteht in dem Maße Leid wie Lust, Zorn, Gier, Illusion, Verrücktheit und Neid zunehmen. Die Anfälligkeit für Angriffe durch diese sechs Hauptfeinde des Lebewesens können wir durch yoga-Praxis abmildern, besonders durch das Chanten des Hare-Krishna-Maha-Mantras:

Hare Krishna Hare Krishna
Krishna Krishna Hare Hare
Hare Rama Hare Rama
Rama Rama Hare Hare

Ihr Diener
Parivadi das