Zum Glück hat unser geschätzter Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900 AD) über das Thema tief nachgedacht und sein bekanntes Werk Jenseits von Gut und Böse formuliert. Zusammenfassend proklamiert Nietzsche, dass die Kategorien Gut und Böse kulturell bzw. sozial bedingt definiert werden; einfach ausgedrückt: Was in Deutschland als gut bezeichnet wird könnte in China als böse gelten. Sehr radikal formuliert der große Vaishnava-Acharya Krishnadasa Kaviraj Gosvami im 16. Jahrhundert:
"Das Konzept GUT-BÖSE ist in der materiellen Welt nichts als mentale Akrobatik, und es ist demzufolge immer falsch etwas als gut oder böse zu bezeichnen." (Shri Chaitanya Charitamrita, Antya-lila 4.176)
Nietzsche, der den Willen des Menschen zum Zentrum seiner Philosophie gemacht hat, findet alles gut, was ein Mensch vollbringt, der sich seinem inneren Wesen entsprechend entfaltet und durchsetzt. Auch in diesem Punkt muten Nietzsches Lehren fast schon vedisch an. So sagt Shri Krishna in Seiner Bhagavad-gita folgendes:
"Kämpfe um des Kampfes willen, ohne Glück und Leid, Sieg oder Niederlage zu beachten. Wenn du so handelst, wirst du niemals Sünde auf dich laden." (Bhagavad-gita 2.38)
Allerdings gilt dieses Prinzip des Lebenskampfes nur dann, wenn der Kampf die individuelle Pflichterfüllung betrifft:
"Es ist weit besser, die eigenen Pflichten zu erfüllen, selbst wenn dies fehlerhaft geschieht,, als die Pflichten eines anderen vollkommen zu erfüllen. Es ist besser, bei der Erfüllung der eigenen Pflicht unterzugehen, als den Pflichten eines anderen nachzukommen, denn dem Pfad eines anderen zu folgen ist gefährlich." (Bhagavad-gita 3.35)
Der preußische Pflichtbegriff ist im Zuge unserer westlichen Verweichlichung immer unbeliebter geworden. Kaum jemand interessiert sich überhaupt dafür, welche Pflichten er (sie) hat. Nichtsdestotrotz geht es in der weit verbreitetsten vedischen Schrift, der Bhagavad-gita, schwerpunktmäßig um Pflichten. Vedisch gesehen ist eine Pflicht gleichzeitig auch das individuelle Recht, diese Pflicht zu erfüllen:
"Du hast das Recht, deine vorgeschriebene Pflicht zu erfüllen, aber du hast keinen Anspruch auf die Früchte des Handelns. Halte dich niemals für die Ursache der Ergebnisse deiner Tätigkeiten, und hafte niemals daran, deine Pflicht nicht zu erfüllen." (Bhagavad-gita 2. 47)
Wir haben also das Recht, unsere vorgeschriebenen Pflichten zu erfüllen. Wenn wir dies tun, handeln wir gut, weil wir auf diese Weise in der Transzendenz geborgen sind und von Shri Krishna vor dem Bösen geschützt werden. Dieser absolute Maßstab widerspricht nicht dem relativen Gut-Böse-Schema, wonach es reine Definitionssache ist, was gut bzw. schlecht ist. Letzteres gilt eben nur, solange wir materiell bedingt sind. In der Materie gibt es unzählige Orte und unterschiedlichste soziale Bedingungen mit jeweils eigenen Definitionen, was gut bzw. schlecht ist. Darum bemühen sich Spiritualisten darum herauszufinden, was aus transzendentaler Perspektive ihre Pflicht ist, damit sie ins richtige Fahrwasser Richtung der ewig glückseligen Heimat gelangen:
"Daher sollte man aus Pflichtgefühl handeln, ohne an den Früchten der Tätigkeiten zu haften; denn wenn man ohne Anhaftung tätig ist, erreicht man das Höchste." (Bhagavad-gita 3.19)
Diese Art zu leben nennen Spiritualisten karma-yoga. So ein Leben ist ohne wenn und aber gut!!!
Was nun sind unsere Pflichten?
Die Veden unterscheiden zwischen a) alltäglichen Handlungen zur Erhaltung unseres Körpers und Heimes und b) beruflichen Pflichten:
Jede(r) hat die Pflicht, sich gesund zu ernähren und zwar möglichst so, dass andere Lebewesen verschont werden. Daraus resultiert, dass Yogis auf Fleisch verzichten. Auch alle anderen alltäglichen Tätigkeiten wie Ackerbau (Gärtnern), Kuhschutz, Fortpflanzung, das Aufziehen unserer Kinder, der Schutz von Frauen, Kindern, Alten und Kranken sind Pflichten, die wir guten Gewissens sorgfältig verrichten sollen.
Der deutsche Begriff Beruf trifft den Nagel auf den Kopf. Es ist entscheidend für ein erfülltes Leben, dem Ruf Gottes im Herzen zu folgen. Leider jedoch ist unsere Sicht idR so vernebelt, dass wir den Ruf nicht wahrnehmen können bzw. ein Chaos verschiedenster Signale in unserem Inneren wütet. Für Anfänger auf dem Pfad der Selbstverwirklichung ist es daher unabdingbar, sich von fortgeschrittenen Spiritualisten beraten und begleiten zu lassen:
"Versuche die Wahrheit zu erfahren, indem du dich an einen spirituellen Meister wendest. Stelle ihm in ergebener Haltung Fragen und diene ihm. Die selbstverwirklichten Seelen können dir Wissen offenbaren, weil sie die Wahrheit gesehen haben." (Bhagavad-gita 4.34)
Zusammenfassung:
Wer entsprechend seiner Natur pflichtgemäß handelt ist gut.
Wer seine Natur verleugnet und launenhaft sein Leben vergeudet ist schlecht.
Ihr Diener
Parivadi dasa