Der Schwan der Tugend
Thema 25/2015
Wir stellten zuletzt (in Beitrag 24/2015) die Frage, warum man Heilige, Einsiedler und ähnliche Spiritualisten manchmal sieht, wie sie den ganzen Tag untätig herum sitzen und damit Asozialen gleichen, denen jeder Antrieb fehlt.
Wir schicken hier voraus, dass tugendhafte Verhaltensformen oftmals zum Verwechseln ähnlich mit dem Benehmen echter oder auch falscher Transzendentalisten sind. Die Ruhe, die aus einem ausgeglichenen Lebensstil im Einklang oder in Liebe zu Gott resultiert hat nichts mit den Depressionen von erfolglosen Materialisten zu tun. Erfolgreiche Transzendentalisten strahlen innerlich vor Glück, während die untätigen Gammler oder Faulenzer sich in ihren niederen Geisteszuständen von Tag zu Tag retten; meist unter Drogeneinfluss.
Die Transzendentalisten werden besonders von Shri Vishnu unterstützt,weil dieser die Tugend (sattva-guna) begünstigt, also u. a.
- Barmherzigkeit
- Ausgeglichenheit
- Friedfertigkeit
- Dankbarkeit
- Duldsamkeit
- Keuschheit
- Wahrhaftigkeit
- Wohltätigkeit
- Bescheidenheit
- Bußfertigkeit
- Kunstfertigkeit
- Kreativität
- Milde
- Einfachheit
Man sieht bereits an dieser unvollständigen Liste, dass wir in diesem Bereich in der höchsten Liga angekommen sind, in der nicht jeder sofort glänzen kann. Darum gibt es sehr viele unqualifizierte Teilnehmer, die den Pfad der Tugend nur heucheln und betrügerisch Menschen für dumm verkaufen. So sieht man zum Beispiel in Indien viele "heilige" Bettler, die mit aufgesetztem Heiligenschein ihr tägliches Brot sammeln. Um die Schwindler von echten Transzendentalisten unterscheiden zu können, bedarf es einer eingehenden Herzensbildung, die man sich nicht pi mal Daumen aneignen kann. Man benötigt göttliche Segnungen, um in dieser Liga zurecht kommen zu können; sonst erleidet man mit Sicherheit Schiffbruch und fällt meist noch hinter die eigene Ausgangsposition zurück.
Nun aber zur Klärung scheinbarer Widersprüche:
1. Warum wird der Kosmos mittels dreier sich scheinbar widersprechender Energien betrieben?
Antwort: Die Dreifaltigkeit Gottes ist vielen von uns ein geläufiges Denkschema. Tatsächlich ist die Zahl *3* sehr wichtig für das natürliche Wesen der Welt. Das Farbbild auf Bildschirmen wird durch nur drei Farbkomponenten erzeugt, nämlich blau (entspricht dem Blues der Trägheit), gelb (entspricht der strahlenden Sonne der Tugend) und rot (entspricht dem kochenden Blut der Leidenschaft). Die kosmische Matrix ist mithin nichts anderes als ein gigantisches holografisches Kino. Jede Grundfarbe wird von einem göttlichen Wesen oder Archetyp verwaltet. Natürlich hinkt dieses Gleichnis; wie eben fast alle Gleichnisse. Klar ist, dass alle drei Komponenten, also Tugenden, Leidenschaften und Unwissenheiten, wichtige Funktionen haben:
a) Unwissenheit (spirituelle Trägheit) bewirkt beispielsweise, dass sich Dienstverweigerer auch irgendwo wohlfühlen können, zum Beispiel die auf Bäumen lebenden Faultiere. Auch satanisch leidenschaftlich Unwissenden erfüllt Gott deren Wünsche bis diese vor Überdruss den Geist aufgeben. So sieht man z. B. manchmal wie Wespen bei einem Fest im Freien in den Süßspeisen ersaufen und dabei in ekstatischem Summen noch die letzten Momente genießen. So barmherzig ist eben die kosmische Regierung. Natürlich ist es sehr schwer, aus dieser starken materiellen Bindung heraus zu kommen, aber der Herr der Unwissenheit, Lord Shiva, ist sehr einfallsreich und barmherzig und trickst uns gerne aus, damit wir weiter kommen.
Beispiel: Wir verehren Lord Shiva, um einen schönen Ehepartner zu bekommen. Dann kriegen wir ihn oder sie. Im Lauf der Zeit erkennen wir, dass unsere Vorstellungen doch nicht erfüllt werden, und wir wenden uns verzweifelt an Shri Vishnu, um die Entlassung aus dem materiellen Kosmos zu erlangen. Es gibt sehr viele Menschen, die über Shiva zu Shri Vishnu kommen; kein Wunder, denn Shiva selbst verehrt den höchsten Herrn der Tugend, Shri Vishnu (in der Form von Shri Sankarshana).
b) Leidenschaften sind der Antrieb für unser Leben in der Materie. Die menschlichen Lebewesen streben in verschiedene Richtungen, je nach innerer Haltung. Dabei gibt es aus spiritueller Sicht folgende Grundkategorien:
1. Fromme Streber, die in die höheren kosmischen Sphären (Himmel) aufgenommen werden möchten
2. Normale Konsumenten, die kein höheres Ziel anstreben und einfach den vorherrschenden Moden folgen (Mitläufer)
3. Bekennende Materialisten (Satanisten), die die Herrschaft über die Materie anstreben oder die zumindest hoffen, in der Materie andauerndes Glück finden zu können
c) Die wahrhaft in der Tugend verankerten Lebewesen haben ihre Leidenschaften im Griff. Sie haben Himmel und Hölle bereits transzendiert, weil sie in jeder Situation glücklich und zufrieden sind. Darum sieht man sie oft ruhig und äußerlich untätig in Höhlen, Klausen, Mönchszellen etc. Was macht sie eigentlich so glücklich? Hier ein paar Hinweise dazu von Shri Krishna, der ursprünglichen und alldurchdringenden Person:
"Nur wer durch die unaufhörliche Flut von Wünschen nicht gestört ist - die wie Flüsse in den Ozean münden, der ständig gefüllt wird, doch immer ausgeglichen bleibt -, kann Frieden erlangen, und nicht derjenige, der danach trachtet, solche Wünsche zu befriedigen. Jemand, der alle Wünsche nach Sinnenbefriedigung aufgegeben hat, der von Wünschen frei ist, der allen Anspruch auf Besitz aufgegeben hat und frei von falschem Ego ist - er allein kann wirklichen Frieden erlangen." (Bhagavad-gita 2.70 und 2.71)
Das Ziel der Tugendliga ist also die materielle Wunschlosigkeit. Es gibt zwei Grundarten solcher Transzendentalisten:
1. Die Brahmavadis, die in die transzendentale Ausstrahlung Gottes eingehen möchten, um dort den ewigen Frieden zu finden
und
2. Die Vaishnavas, die der höchsten Person, Shri Krishna, für immer dienen möchten.
Die Leser werden schon verstanden haben, dass die Hare-Krishna-Jünger zur zweiten Kategorie gehören. Shri Krishna erwidert die Zuneigung Seiner Geweihten, die Ihn in einer Seiner unzähligen Formen, z. B. als Shri Krishna, Shri Rama, Lord Balarama uvm, lieben:
samo ' ham sarva-bhuteshu
na me dvesyo ' sti na priyah
ye bhajanti tu mam bhaktya
mayi te tesu capy aham
"Ich beneide niemanden, noch bevorzuge ich jemanden. Ich bin allen gleichgesinnt. Doch jeder, der mir in Hingabe dient, ist mein Freund, ist in Mir, und Ich bin sein Freund." (Bhagavad-gita 9.29)
Im jetzigen Zeitalter beschäftigen sich die Vaishnavas besonders gerne im Chanten der heiligen Namen Gottes:
Hare Krishna Hare Krishna
Krishna Krishna Hare Hare
Hare Rama Hare Rama
Rama Rama Hare Hare
Ergänzend sei noch zur Abrundung angeführt, dass die Tugend in der materiellen Welt einen schweren Stand hat und nur ganz selten in reiner Form erlangt wird. Von der dunkelsten Unwissenheit bis hin zu reiner strahlender Tugend hinauf findet man unzählige Lebensstile, die jeweils der Mischung aus Unwissenheit, Leidenschaft und Tugend entsprechen. Hier einige prägnante Kategorien:
- Neidische, boshafte, kriminelle Lebewesen, deren Zukunft düster aussieht
- Lebenskünstler, Vagabunden, Wegelagerer, Bettler, Blueser, Melancholiker, Träumer
- Gewöhnliche Durchschnittsbürger, die nach Reichtum, Bildung, Gesundheit und Ansehen streben
- Extremisten aller Art wie Leistungssportler, Bergsteiger, Fakire und andere Yogis
- Fromme Streber und als Gegenpartei extreme Materialisten (Satanisten)
- Mondverehrer, die nach dem dort gereichten Nektar (soma-rasa) streben
- Gerechte Könige und andere Edle, die auf dem Sonnenplaneten ihren Lohn empfangen
- Wahrhaft Tugendhafte, die dem Paradies des siebten Himmels entgegen streben
- Brahmavadis, die ins Brahman, den ewigen Frieden, eingehen möchten
- Vaishnavas, die Shri Krishna auf ewig in Liebe dienen möchten
Shri Krishna richtet nicht sondern lässt alle nach ihrem Geschmack leben, obwohl er uns gerne in Seinem allglückseligen Dienst beschäftigen würde.
Bitte studieren Sie die Literatur von A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada, um in dieser unendlichen Vielfalt den für Sie richtigen Kurs halten zu können!!! Wir sind hier darum bemüht, einige Bereiche so zu beleuchten, dass das Interesse an einem intensiven Studium der Vaishnava-Literatur geweckt wird.
Bitte sehen Sie über literarische Schwächen unserer Beiträge geduldig hinweg!
Ihr Diener
Parivadi das
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