Man kann immer und überall beobachten, wie sich Menschen ein Weltbild
zurecht legen, dafür Propaganda machen und ihre Energie auf die
Verwirklichung entsprechender Ideen verwenden. Lebenseinstellungen sind
meist reduziert auf mehr oder weniger fixe Ideen. Um diese Einleitung nicht
unnötig auszudehnen, mögen hier unmittelbar einige Beispiele zur
Veranschaulichung angeführt werden:
BEISPIEL 1 - IDEALISMUS
Hier hat der im Jahr 2007 verschiedene Suhotra prabhu bereits einmal einen
erleuchtenden Beitrag in dem Magazin WIE ES IST (Jahrgang 1983, Nummer 5)
veröffentlicht (Der neue deutsche Idealismus). Suhotra prabhu zeigt auf,
dass praktisch alle Idealisten das Wesen der materiellen Welt nicht
verstehen oder nicht verstehen wollen. Er nimmt dabei natürlich Bezug auf
die damals im Aufstreben befindliche Partei der Grünen, die erstmals mit 5,5
% in den Bundestag eingezogen waren.
Idealisten streben einen vollkommenen Zustand an, obwohl das in der
materiellen Welt eben nicht möglich ist. Das sehnsüchtige Verlangen nach
idealen Bedingungen zeigt, dass die Seele in Wirklichkeit das tiefe
Bedürfnis hat, in die vollkommene, spirituelle Welt zurück zu kehren. In der
Zwischenzeit nun sind die Grünen ja recht realistisch geworden; die Realos
haben sich wohl endgültig durchgesetzt. Dennoch ist noch der Hang zur
Weltverbesserung wahrnehmbar. Leider sind die Ansätze hierzu praktisch
ausschließlich materieller Natur und damit zum Scheitern verurteilt.
Wir können für uns und die Welt nur einen positiven Effekt entfalten, wenn
wir Bemühungen auf der spirituellen Ebene unternehmen. Die materiellen
Zustände sind ausschließlich auf spirituelle Fehlhaltungen zurückzuführen.
Wir erhalten das Resultat, das uns zusteht. Wir können nicht direkt auf die
Materie einwirken, denn diese wird voll und ganz von Gott gelenkt, nämlich
entsprechend unserer inneren Haltung(en).
Suhotra prabhu zeigt in o.g. Beitrag auf, dass materielle Idealisten in der
Geschichte immer wieder an der Tatsache gescheitert sind, dass die
materielle Welt ihre eigene Dynamik aufweist:
a-brahma-bhuvanal lokah
punar avartino 'rjuna
mam upetya tu kaunteya
punar janma na vidyate
Alle Planeten in der materiellen Welt - vom höchsten bis hinab zum
niedrigsten - sind Orte des Leids, an denen sich Geburt und Tod wiederholen.
Wer aber in Mein Reich gelangt, o Sohn Kuntis, wird niemals wieder geboren.
(Bhagavad-gita 8.16)
Die Haltung, Gutes für die Welt tun zu wollen, um den angestrebten
Idealzustand zu fördern, wird dennoch von Shri Krishna anerkannt:
athaitad apy asakto 'si
kartum mad-yogam ashritah
sarva-karma-phala-tyagam
tatah kuru yatatmavan
Wenn du jedoch nicht imstande bist, in diesem Bewusstsein (im
Krishna-Bewusstsein) für Mich zu arbeiten, dann versuche, allen Früchten
deiner Arbeit zu entsagen und im Selbst verankert zu sein. (Bhagavad-gita
12.11)
His Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada kommentiert hierzu
u.a.:
Es kann sein, dass man aus gesellschaftlichen, familiären oder religiösen
Erwägungen oder angesichts anderer Hinderungsgründen nicht einmal imstande
ist, mit den Tätigkeiten des Krishna-Bewusstseins zu sympathisieren. Wenn
man sich direkt den Tätigkeiten des Krishna-Bewusstseins anschließt, könnten
Familienangehörige Einwände erheben, oder es könnten viele andere
Schwierigkeiten auftreten. Einem Menschen, der vor diesem Problem steht,
wird geraten, die angehäuften Ergebnisse seiner Arbeit für einen guten Zweck
zu spenden. ... So kann man allmählich auf die Ebene des Wissens erhoben
werden. Manchmal sieht man auch, dass jemand, der an den Tätigkeiten des
Krishna-Bewusstseins nicht interessiert ist, einem Krankenhaus oder einer
anderen sozialen Einrichtung Geld spendet und so den schwer verdienten
Früchten seiner Arbeit entsagt. Auch dies wird hier empfohlen. ... So
gesehen können auch sozialer Dienst, Dienst an der Gemeinde, an der Nation,
Opfer für das Vaterland usw. annehmbar sein, mit dem Ziel eines Tages auf
die Stufe reinen hingebungsvollen Dienstes zum Höchsten Herrn zu gelangen.
In der Bhagavad-gita (18.46) finden wir die folgende Aussage: yatah
pravrittir bhutanam: Wenn man sich dazu entschließt, für die höchste Ursache
Opfer darzubringen, wird man, selbst wenn man nicht weiss, dass die höchste
Ursache Krishna ist, durch diesen Vorgang des Opfers allmählich zu der
Einsicht gelangen, dass Krishna die höchste Ursache ist.
Wir sehen hier, dass der Vaishnavismus von Natur aus weder dogmatisch noch
fundamentalistisch ist. Vielmehr lehrt Shri Krishna vielschichtig und zum
Wohl aller Seelen, je nach ihrem Bewusstseinszustand.
BEISPIEL 2 - Fundamentalisten (Dogmatiker)
Wie wir gerade eben hinsichtlich des Beispiels 1 beschrieben haben, ist der
Weg des Krishna-Bewusstseins weder fundamentalistischer noch dogmatischer
Natur. Fundamentalisten bzw. Dogmatiker übersehen meist den Umstand, dass
sich die unzähligen Seelen in verschiedensten Umständen befinden und wollen
alle über einen Kamm scheren. Das führt zu Brutalität und
Rücksichtslosigkeit. Man sieht nicht die eigenen Bedingtheiten und fühlt
sich als überlegen, ohne die eigenen Scheuklappen zu bemerken. Mit dieser
inneren Haltung kann man nicht aus dem materiellen Dasein entkommen, denn
ein Mangel an Barmherzigkeit mit anders gearteten Lebewesen ist ein
Herzfehler, der noch korrigiert werden muss, bevor wir in die Gemeinschaft
Gottes kommen können. Paramatma (die Überseele) benutzt solch begrenzte
Charaktere für bestimmte Zwecke, zum Beispiel um anderen als Echo zu dienen.
Mit anderen Worten: Wir kommen unter fundamentalistischen oder dogmatischen
Einfluss, wenn wir ähnliche Tendenzen aufweisen oder gezeigt haben
(möglicherweise in früheren Leben).
Es gibt unzählbar viele verschiedene Fundis bzw. Dogmatiker, die sich oft unveröhnlich gegenüber stehen, z. B.
Nationalisten - Globalisten
Kapitalisten - Kommunisten
religiöse Dogmatiker - Materialisten
Formalisten - Chaoten
Diktatoren - Anarchisten
Feministinnen - Machos
Monarchisten - Republikaner
u.v.m. (wobei die Kategorien sich natürlich überschneiden)
Auf diese Weise findet in der Welt ein vielfacher Wettbewerb oder Kampf um
die Oberhoheit statt, besonders in den Massenmedien, im internet, auf
youtube usw.
All diese Bemühungen sind nicht unbedingt wertlos, je nachdem, mit welchem
Grad einer Beziehung zu Gott sie erfolgen. Auch hier gilt der oben
angeführte Kommentar von Shrila Prabhupada, das heißt wir können aus unserer
beschränkten Sichtweise heraus weiter fortschreiten hin zur göttlichen
Sphäre, in der sich alle scheinbaren Widersprüche lösen.
His Grace Ravindra Svarupa prabhu hat in einem Beitrag auf seiner Webseite
www.soithappens.com kürzlich dargelegt, wie der Vaishnavismus die Ideale des
Kaptialismus und des Kommunismus miteinander spirituell synergetisch
vereint. Für diejenigen, die sich um den Fortbestand des Wirtschaftssystems
sorgen, sind diese Abhandlungen unverzichtbar. Sie transzendieren das
Scheuklappendenken in beiden Lagern, die sich auf der materiellen Ebene
unversöhnlich entgegen stehen; denn Dualität ist nun einmal das Wesen
materiellen Bewusstseins, während der Spiritualist hinter all diesen
Phänomenen die Hand Gottes ausfindig machen möchte, um zu lernen, um offen
zu bleiben, um das Wesen transzendentalen Glücks kennen zu lernen, das weit
jenseits der Dualitäten angesiedelt ist.
Spirituelle Synergie darf nicht mit dem Hegel'schen Prinzip der Synthese von
These und Antithese verwechselt werden. Zum Beispiel wäre es verfehlt
anzunehmen, die Lösung des Konflikts zwischen Männern und Frauen sei die
Schaffung von Zwitterwesen. Nein, im Vaishnavismus erkennt man, dass es
göttliche Gründe für die Existenz verschiedener Körper und Geister gibt. Sie
mögen zum Wohl der Gesellschaft und im Gottesdienst sinnvoll zusammen
wirken. Weder ist es förderlich, wenn sich Frauen wie Männer benehmen noch
ist es praktisch, wenn sich Männer wie Frauen verhalten.
Zur Dualität zwischen religiösen Dogmatikern und Materialisten seien hier
noch klärend folgende Anmerkungen abschließend erlaubt:
Es mag den einen oder anderen verwundern, wenn hier Materialisten ebenfalls
zu den Fundamentalisten bzw. Dogmatikern gezählt werden. Das sind sie in der
heutigen Zeit nicht gewöhnt, denn die ganze moderne Gesellschaft begünstigt
ihre Ansichten. In einem solchen Umfeld hat man die Neigung, diejenigen als
Sektierer zu bezeichnen, die inmitten der illusionierenden Energie mayas
spirituelle Inhalte leben und propagieren. Dabei ist es ja gerade umgekehrt.
Es sind die Materialisten, die sektiererisch im Kosmos im Schein materieller
Unabhängigkeit leben, unter Ausblendung der höheren spirituellen Realität.
Die Störungen für den Frieden gehen von den Materialisten aus, denn sie sind
es, die das egozentrische Weltbild fördern. Diese Versessenheit fällt
natürlich inmitten so vieler Gleichgesinnter kaum auf, auch wenn die
Frustration der Materialisten im Lauf der Zeit größer und größer wird, weil
die Scheuklappen eben die Sicht auf das spirituelle Glück versperren. Es
muss der Vollständigkeit halber hier angeführt werden, dass sich
Materialisten verschiedenster Ausprägung gegenüberstehen. Sie alle trachten
nach mehr und mehr Gütern; ein sehr anstrengendes, ermüdendes und letztlich
langweiliges Unterfangen (Der Kampf ums Dasein). Wer den Blick auf die ewige
spirituelle Natur richtet wird nach und nach frei von diesen Leiden.
Dann gibt es natürlich die religösen Dogmatiker, die Gott in ein Schema
pressen möchten. Sie halten sich für die einzig Geretteten und übersehen
dabei, dass Gott es mit einer unendlich großen Vielfalt von Lebewesen zu tun
hat. Die religiöse Kleingeisterei ist in diesem Licht betrachtet einfach
unakzeptabel. Wenn Gott auch so wäre, dann könnte von Barmherzigkeit nicht
die Rede sein. Das ist der Grund, warum sich immer mehr Menschen von den
etablierten Religionen abwenden. Die Fragen jenseits der jeweiligen
Scheuklappen werden einfach nicht in einer zufriedenstellenden Weise
beantwortet. Auf diese Weise arbeiten religiöse Fanatiker den Materialisten
in die Hände. Sie leisten Gott einen recht unzureichenden Dienst. Auch hier
gilt natürlich, dass Gottes Geduld unerschöpflich ist - jedem das seine.
Gott ist groß!
Ihr Diener
Parivadi dasa