Das Shrimad Bhagavatam II

Die Wurzel: Wer sprach das Bhagavat Purana zuerst? ***

Thema 32/2024

nigama-kalpa-taror galitam phalam
shuka-mukhad amrita -drava- samyutam
pibata-bhagavatam rasam alayam
muhur aho rasika bhuvi bhavukah

"Wisset, o gelehrte und nachdenkliche Menschen, das Shrimad Bhagavatam ist die reife Frucht am Baum der vedischen Schriften. Es kam von den Lippen Shri Shukadeva Gosvamis, und daher ist diese Frucht sogar noch köstlicher geworden, obwohl ihr nektargleicher Saft schon vorher allen - auch den befreiten Seelen - vortrefflich mundete." (Shrimad Bhagavatam 1.1.3)

Wir haben in Teil 1 dieser Beitragsreihe Vers 2 des ersten Kapitels des Shrimad Bhagavatam zitiert, weil hieraus sich die erhabene Qualität dieser höchsten Offenbarung ergibt. Aus dem nächsten Vers, also Vers 3 des ersten Kapitels ergibt sich ein Hinweis auf den Ursprung des Shrimad Bhagavatam, in welchem darauf hingewiesen wird, dass es von den Lippen Shukadeva Gosvamis gesprochen wurde, der es dem Kaiser Maharaja Parikshit vortrug als dieser sich entschlossen hatte, bis zu seinem Tode am Ufer der Mutter Ganga zu fasten, um das Shrimad Bhagavatam zu hören. In dieser Vorgeschichte sprach also Shukadeva Gosvami diese erhabenen Texte, während später im Wald von Naimisharanya dann ja Suta Gosvami als Sprecher erwählt worden war. Suta Gosvami war während des Vortrags von Shukadeva Gosvami mit den anderen Weisen des Universums und dem Kaiser Parikshit am Ufer der Ganga zugegen, und war also einer der Weisen, die das Shrimad Bhagavatam vom qualifiziertesten Sprecher gehört hatten. Zuletzt dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass es der Vater von Shukadeva Gosvami war, der die Inhalte des Shrimad Bhagavatam seinem Sohn erzählt hatte und zwar als dieser sich noch im Mutterleib befand. Shukadeva Gosvami verblieb nach seiner Geburt kaum zuhause, sondern entfernte sich so schnell wie möglich von seiner elterlichen Gemeinschaft, um als Wandermönch durch das Land zu ziehen. Er legte keinen Wert auf sein äußeres Erscheinungsbild und vergaß schlichtweg, sich zu kleiden, ging also nackt seiner Wege, ohne dies zur Kenntnis zu nehmen, denn er war zu 100 % in die Meditation über Shri Krishna versunken und hatte keinerlei Interesse hinsichtlich weltlicher Belange, wie Kleidung, Übernachtungsgelegenheiten etc. Auch als er einmal in der Nähe junger Mädchen auftauchte machte er keinerlei Anstalten, Anziehung oder Ablehnung zu manifestieren, sondern zog unbeeindruckt weiter. Shukadeva Gosvami war mithin das beste Beispiel eines voll verwirklichten Bhakti-Yogis, der sich mittels weltlicher Prinzipien in keinster Weise beschreiben lässt und jenseits von Gut und Böse seiner inneren Mission folgte.

Wir halten für heute also fest, dass Shukadeva Gosvami, der das Shrimad Bhagavatam im Mutterleib von seinem Vater Shrila Vyasadeva lernte, sein Wissen dann dem Kaiser Parikshit im Kreise der größten Weisen des Universums vortrug. In dieser Versammlung war Suta Gosvami mit zugegen, und dieser gab das Shrimad Bhagavatam dann im Wald von Naimisharanya an die dort versammelten größten Weisen seiner Zeit weiter, wobei der große Weise Shaunaka Rishi als Leiter der Versammlung die entscheidenden Fragen stellte.

Wir dürfen als degenerierte moderne Menschen, die glauben, die Wahrheit könne auf Wikipedia gefunden werden, nicht erwarten, dass in der Vorzeit solche Lexika eine Rolle spielten. Vielmehr war es das Prinzip, dass große Weise verwirklichtes Wissen durch einmaliges Hören von einer Autorität lernten. Diese Brahmanen hatten ein fotografisches Gedächtnis, behielten also alles Wissenswerte mittels einmaligen Hörens und konnten es bei Bedarf wiedergeben. Natürlich scheint dies für moderne Bücherwürmer eine nicht glaubwürdige Legende zu sein. Klar, die Bücherwürmer drehen sich im Kreise und verstehen nicht, was wahres Wissen ist und wie es zu uns gekommen ist. Dennoch ist es eine Tatsache, dass wir heute das Shrimad Bhagavatam in einer verwirklichten, also gelebten und praktizierten Fassung, studieren können, aufgrund der außerordentlichen Hingabe des reinen Gottgeweihten, Seiner Göttlichen Gnade A C Bhaktivedanta Swami Prabhupada, der das Shrimad Bhagavatam in die englische Sprache übertrug, wie es ihm von seinem spirituellen Meister, His Divine Grace Bhaktisiddhanta Sarasvati Thakura, aufgetragen worden war. Auch an diesem Beispiel können wir erkennen, dass es göttlicher Gnade bedarf, sich mit der höchsten Wahrheit effektiv beschäftigen zu können. Dieser Vorgang der Folgsamkeit im Einklang mit dem Höchsten Herrn Shri Krishna bügelt alle Unebenheiten aus, die oberflächlich betrachtet festzustellen sein mögen.

Es ist mithin als großes Wunder zu betrachten, dass wir Winzlinge im Vergleich mit brahmanisch geschulten Weisen nun diese höchste Wahrheit studieren können und dazu noch bereichert mit verwirklichten Erläuterungen zu jedem einzelnen Text des größten Bhakti-Yogis der Moderne, der dadurch die Verbindung des Shrimad Bhagavatam zu unserer Zeit und unserem schwierigen Leben herstellt.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Shrila Vyasadeva derjenige war, der das Bhagavat-Purana zusammengestellt und seinem Sohn Shukadeva Gosvami gelehrt hat, als dieser sich noch im Leib seiner Mutter befand. Shukadeva Gosvami trug als erster dieses Bhagavata Purana dem Kaiser Parikshit vor, der sich am Ufer der Mutter Ganga auf seinen Abschied von der materiellen Welt vorbereitete. Der Vortrag dauerte sieben Tage und Nächte hindurch, und die großen Weisen, die zugegen waren, nahmen dieses höchste Wissen mittels ihres extrem ausgeprägten Erinnerungsvermögens auf, um es weiter zu verbreiten. Die Hare-Krishna-Bewegung listet als ihren Link zu Shukadeva Gosvami mithin den Suta Gosvami, der bei dem spektakulären Vortrag des Shukaeva Gosvami eben mit zugegen war. Suta Gosvami trug das Shrimad Bhagavatam dann im Wald von Naimisharanya den dort versammelten Weisen vor, wobei Shaunaka Risi diese Versammlung initiiert hatte und die Fragen stellte.

Nun haben wir also grundlegendes Wissen hinsichtlich der Herkunft dieser Offenbarung und dürfen noch einmal alle Interessierten ermuntern, sich Schritt für Schritt durch dieses höchste Wissen hindurch zu arbeiten, welches uns zur Verfügung steht. Wir werden gelegentlich weitere Hinweise auf Kerninhalte des Bhagavata Purana geben. Jedoch sind Sie darauf natürlich nicht angewiesen, denn in der Hare-Krishna-Schülernachfolge kann und darf sich jeder frei inspirieren lassen. Das mutet nicht nur lutherisch an sondern ist es auch! Ja es ist erstaunlicherweise schon immer so gewesen, dass ein jeder berechtigt war, sich spirituell inspirieren zu lassen. Es gab in der vedischen Hochkultur nie Denkverbote, und so dürfen Sie, liebe Leser, sich frei vom Shrimad Bhagavatam inspirieren lassen. Sie bedürfen dafür keiner Erlaubnis. Jeder darf sofort mit dem Studium beginnen und sehen, ob das Ganze für ihn Sinn ergibt. Der Höchste Herr offenbart Sich uns entsprechend unserer Begierde und Hingabe! Die Hare-Krishna-Bewegung ist also mindestens genauso reformatorisch wie Martin Luther, und damit sind Sie frei, sich des vedischen Wissens zu bedienen. Jedoch ist es dennoch ratsam, sich von erfahrenen vedischen Theologen beraten oder gar führen zu lassen!

Ihr Diener

Parivadi dasa

*** Anmerkungen:

Puranas sind Beschreibungen von historischen Begebenheiten. Es handelt sich also um Geschichten aus der Jahrtausende alten vedischen Geschichte. Diese Geschichten wurden von Weisen, also den Schriftgelehrten der vedischen Hochkultur, niedergeschrieben, wobei als stärkster und schaffensstärkster dieser Gelehrten der reine Gottgeweihte Shrila Vyasadeva als der Urvater dieser Puranas angegeben wird. Er sammelte die wichtigsten Geschichten und ordnete sie verschiedenen Kategorien zu, entsprechend der spirituellen Charakteristik der jeweiligen Geschichte. Als Shrila Vyasadeva mit seinem Schreibmarathon fertig war bekam er Besuch von seinem spirituellen Meister, Narada Muni. Shrila Vyasadeva offenbarte seinem spirituellen Meister seine innere Unzufriedenheit mit den von ihm verfassten Geschichtssammlungen und fragte, woran es liegen möge, dass er sich innerlich nicht zufrieden geben konnte. Da sagte im Narada Muni, sein Schüler habe den Schwerpunkt der Kategorisierung falsch gesetzt und den Geschichten mit einem Bezug zur Höchsten Persönlichkeit Gottes zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Aufgrund dieser Zurechtweisung ordnete Shrila Vyasadeva die Puranas neu und gab den Geschichten, die einen Bezug zu Shri Krishna hatten nun einen Ehrenplatz in der Geschichtensammlung des Bhagavata Purana. Darum wird diese Schriftensammlung besonders von den Vaishnavas geschätzt und ehrfurchtsvoll als Shrimad Bhagavatam bezeichnet, was in etwa "verehrenswerte Geschichten über Gott" bedeutet.