Bewusstes Sein I
Thema 35/2012
Wir möchten nun mit einer Themenreihe beginnen, die sich mit den grundlegenden Elementen des Erkenntnisprozesses beschäftigt, um zu zeigen, wie sich der vedische Weg von Lehren abhebt, die von blindem Glauben und Dogmatismus geprägt sind.
Wie wir in Beitrag 17/2012 beschrieben haben sind die verschiedenen Sprachen mehr oder weniger reine Klangstrukturen zur Übermittlung der Wahrheit. Das deutsche Wort Bewusstsein ist in diesem Zusammenhang ein sehr gutes Beispiel, welches wir in diesem Beitrag beleuchten möchten. Bewusstes Sein ist tatsächlich fast alles, was das Leben an sich ausmacht. Unsere Wahrnehmung geschieht durch das Bewusstsein. Ähnlich einem lichtempfindlichen Film, auf dem mittels einer Kamera Bilder der Welt sichtbar gemacht werden, so ist unser Bewusstsein nichts anderes als unser innerer lebendiger Raum, in dem wir u.a. beispielsweise die Außenwelt durch die Filter der Sinne, Intelligenz, Psyche etc. wahrnehmen. Die WAHRnehmung ist umso wahrer als unser Bewusstsein rein ist. Reines Bewusstsein nimmt die göttliche Wahrheit also klar wahr. Darum ist es so wichtig, sich innerlich zu reinigen, wenn man auf dem Pfad der Selbst- und Gottesverwirklichung voran kommen möchte.
In der Bhagavad-gita führt Shri Krishna aus, dass das individuelle Lebewesen den Körper, in dem es wohnt, mit Bewusstsein erleuchtet; so wie die Sonne das All:
O Nachkomme Bharatas, so wie die Sonne allein das ganze Universum erleuchtet, so erleuchtet das eine Lebewesen im Körper den gesamten Körper mit Bewusstsein. (Bhagavad-gita 13.34)
Daraus folgt unschwer, dass der Raum, den das Bewusstsein einnimmt, größer ist als die individuelle Seele, welche nur das Ausmaß eines zehntausendsten Teiles einer Haarspitze hat. Wir sind also zwar atomisch klein, durchdringen jedoch unseren jeweiligen Körper mit Bewusstsein, was unsere Wahrnehmung überhaupt erst ermöglicht. Wir sind es also selbst, die die Welt auf unsere individuelle Art und Weise wahrnehmen, auch wenn uns viele Philosophen und auch religiöse Lehrer etwas anderes erzählen wollen. Man will uns zuweilen einreden, wir könnten nichts direkt wahrnehmen, um unser Selbstbewusstsein zu schädigen und uns so abhängig zu machen von Mittlern usw. Wir können jedoch getrost aufatmen und uns an unseren Wahrnehmungen erfreuen.
Diese wunderbare Grundwahrheit ist die gesunde Basis für alle weiteren philosophischen Betrachtungen. Freilich sind wir durch die materielle Verunreinigung bedingt, die durch den jeweiligen materiellen Körper repräsentiert ist, der im wesentlichen aus den groben Elementen, dem Geist, der Intelligenz und dem falschen Ego (dem uns bedingenden Ego) besteht. Letzteres ist die Basis unserer Bedingtheit und drückt uns den jeweiligen Stempel auf, der bereits die Grundeintrübung des ursprünglich reinen Bewusstseins bewirkt. Die Trübung wird in Sanskrit als citta bezeichnet.
Was oft nach längeren Studien verschüttet geht ist, dass unter allen Umständen die individuelle Seele über all diesen Elementen steht:
"Die aktiven Sinne sind der leblosen Materie übergeordnet, der Geist steht üben den Sinnen, die Intelligenz steht über dem Geist, und sie (die Seele) steht sogar noch über der Intelligenz." (Bhagavad-gita 3.42)
Die Seele mit ihrem Bewusstsein steht mithin über all den anderen Elementen. Wir haben also allen Grund dazu, selbstbewusst unser Leben in die Hand zu nehmen! Wir sind fähig, unsere individuellen echten Erfahrungen zu machen, in die sich niemand einzumischen hat! Freilich benötigen wir im Dschungel der materiellen Verunreinigung, in dem wir uns befinden, Orientierung. Diese erhalten wir von fortgeschrittenen Seelen, die bereits einen höheren Reinheitsgrad der Wahrnehmung erlangt haben.
Ein sehr interessantes und mystisches Detail spricht Seine Göttliche Gnade A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada in seinem Kommentar zu Vers 4, Kapitel 8, der Bhagavad-gita an, wo er u.a. ausführt:
"... Die Überseele, die Höchste Persönlichkeit Gottes, die Sich neben der individuellen Seele befindet, ist der Zeuge der Tätigkeiten der individuellen Seele und die Quelle ihrer verschiedenen Bewusstseinszustände. ..."
Die Eintrübung unseres ursprünglich reinen Bewusstseins findet also unter der Oberhoheit Gottes statt. Entsprechend unserer jeweiligen Qualifikationen werden wir also erhoben oder aber erniedrigt. Auf ein hohes Niveau kann man nur vorgelassen werden, wenn man sich dauerhaft bewährt hat, sich also als zuverlässig erweist.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass bewusstes Sein sowohl das Wesen Gottes als auch unser Wesen ist, also das wichtigste überhaupt! Ohne dieses gäbe es im Grunde gar nichts. Stimmungen, Wünsche und Handlungen sind Resultate des bewussten Seins. Leben ist halt nun einmal primär bewusstes Sein. Diese einfach wahrnehmbaren Tatsachen werden oft mittels philosphischer Wortspielereien verschleiert, um uns das Leben schwer zu machen.
Ihr Diener
Parivadi das
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