Die meisten Zeitgenossen unseres Kulturkreises identifizieren sich mit ihrem physischen Körper, der nach dem Absterben in seine Bestandteile zerfällt, verbrannt oder im biologischen Kreislauf zu Erde wird. Nachdenklichere Naturen identifizieren sich mit ihrem psychologischen Zustand, der sich ständig verändert; sind wir morgens noch müde, vormittags voller Tatendrang, abends vielleicht melancholisch und am späten Abend dann fröhlich auf einer Party? Die Nachdenklichen sagen gerne, sie hätten eine Seele und meinen damit eben ihre Psyche, bestehend aus Ego, Intelligenz und Geist.
Nur einer Minderheit ist es bekannt, dass sie ewige individuelle selbstverantwortliche Entitäten sind. Ja, wir sind unvergängliche Seelen! Wir haben keine Seele sondern sind Seelen, wobei der Begriff Seele durchaus einer genaueren Untersuchung unterzogen werden muss, um wirklich dem Kern unserer jeweiligen Existenz auf die Spur zu kommen. Shri Krishna gibt in Seiner Bhagavad-gita dazu ganz zentrale Informationen:
"So wie die verkörperte Seele in diesem Körper fortgesetzt von Knabenzeit zu Jugend und zu Alter wandert, so geht die Seele beim Tod in ähnlicher Weise in einen anderen Körper ein. Ein besonnener Mensch wird durch einen solchen Wechsel nicht verwirrt. ... Diejenigen, die die Wahrheit sehen, haben erkannt, dass das Inexistente (der materielle Körper) ohne Dauer und das Ewige (die Seele) ohne Wechsel ist. Zu diesem Schluss sind sie gekommen, nachdem sie das Wesen von beidem studiert hatten. Wisse, das, was den gesamten Körper durchdringt, ist unzerstörbar. Niemand ist imstande , die unvergängliche Seele zu zerstören. ... Für die Seele gibt es zu keiner Zeit Geburt oder Tod. Sie ist nicht entstanden, sie entsteht nicht, und sie wird nie entstehen. Sie ist ungeboren, ewig, immerwährend und urerst." (Bhagavad-gita, 2.13, 2.16, 2.17, 2.20)
Wissen über die Natur der Seelen ist neben dem Wissen über die Höchste Quelle von allem das wichtigste, was es zu verstehen gilt. Die Seelen entspringen der Quelle, sind jedoch urerst, so wie auch die transzendentale Quelle, Shri Krishna, urerst ist. Dies bedeutet, dass die Seelen anfanglos sind, so wie die Quelle; ähnlich wie die Sonnenstrahlen zusammen mit der Sonne schon immer existierten!
Sehr wichtig ist es zu verstehen, dass die Seelen niemals die Quelle ersetzen können. Sie bleiben immer winzige Teile, wohingegen die Quelle von Allem unbegreiflich mächtig und groß ist. Wer den Ursprung von allem mit den individuellen Seelen gleichsetzt muss als verrückt bezeichnet werden, so HDG AC Bhaktivedanta Swami Prabhupada:
Damit haben wir jetzt schon einmal etabliert, dass die individuellen Lebewesen niemals mit ihrem Erhalter gleichgesetzt werden können:
Der Höchste ist den Lebewesen immer übergeordnet. Diese einfache Theologie hat zuletzt der große Theologe Madhvacharya im 13. Jahrhundert als unumstößliche Wahrheit etabliert, nachdem im frühen Mittelalter Indiens die Einheitsphilosophie Shankaras weite Teile des indischen Subkontinentes erfasst hatte. Shri Madhvacharya widerlegte die Hauptthese des Shankara, wonach alle Lebewesen eins seien. Die Einheitsphilosophie verführt die Menschen dazu, sich mit Gott gleichzusetzen bzw. untätig in der Einbildung zu verharren, man sei mit allem eins, habe also weder etwas zu gewinnen noch etwas zu verlieren. Shri Madhvacharya spornte die Menschen hingegen an, Gott zu verehren und Ihm zu dienen. Er löste damit die Renaissance des Vaishnavatums auf dem indischen Subkontinent aus, die bis heute anhält und insbesondere durch die ISKCON verstärkt wird. Shri Madhvacharya gehört zu den spirituellen Eckpfeilern der Hare-Krishna-Bewegung! Hierzu darf noch ergänzt werden, dass das Vaishnavatum keine neue Erfindung eines Theologen war sondern bereits in der vedischen Hochkultur - also vor vielen tausenden von Jahren - die gängige spirituelle Praxis darstellte.
Übersetzung: "Die Lotosfüße von Shri Vishnu sind die höchste Meditations-Sphäre aller Götter. Diese Lotosfüße sind genauso erleuchtend wie die Sonne."
Leider sind die vedischen Priester im Lauf der Jahrtausende immer mehr von der Verehrung Vishnus abgewichen und in einen degradierten Opferkult abgefallen, was dazu geführt hat, dass Buddha sie zurückweisen und seine unpersönlichen Lehren verbreiten konnte.
Ihr Diener
Parivadi dasa
*** Vishnu-tattva bedeutet in etwa "Die Vishnu-Kategorie", also die Natur des alldurchdringenden, allmächtigen und allwissenden Vishnu!