Sekten des Materialismus

Thema 40/2003

 
In der Allgemeinheit wird bewusst oder unbewusst der Eindruck geweckt oder geschürt, religiöse Suche sei etwas, das auf bloßem Glauben beruhe. Man ist stets darauf bedacht, die äußerlichen Unterschiede der Religionen hervorzuheben, um dadurch zu zeigen, dass die einzelnen Traditionen letztendlich mehr oder weniger zufällige kulturelle Schöpfungen (oder Entgleisungen) und damit relativ seien. Auch der Staat verhält sich im allgemeinen neutral, wenn es um die Weltanschauung geht, getreu dem Motto, dass Glauben eben Privatsache sei. Nur wenn Glaubensgemeinschaften - z. B. die Kirchen - sozialpolitisch aktiv sind, werden sie im Grunde ernst genommen.

Es wird jedoch übersehen, dass die Haltung der Neutralität in Fragen der Weltanschauung ein Ding der Unmöglichkeit ist. Die illusionierende Energie - vedisch: maya - mit ihren bedeckenden und herabziehenden Aspekten übt ihren Einfluss aus, selbst wenn wir das nicht wollen. Nur wer sich dieser Tatsache bewusst ist und geeignete Maßnahmen ergreift, kann die Wirkungsweisen der materiellen Energie neutralisieren oder sie gar transzendieren.

Ein Staatswesen, das lediglich auf Äußerlichkeiten aufbaut, kann auf Dauer keinen Bestand haben, denn ohne transzendentale Inhalte verlieren sich die Bestandteile des Staates, die Bürger, in der materiellen Sackgasse.

Dies wird heute überall auf der Welt deutlich. Der allgemeine Vertrauensschwund in transzendentale Wahrheiten führt auch zum Zerfall sittlicher und moralischer Werte. Denn: Wozu soll man sich um irgendwas kümmern, wenn mit dem Tod alles vorbei ist. Vor wem soll man Respekt haben, wenn wir alle doch nur zufällig entstandene vergängliche roboterähnliche Wesen sind?

Die Gleichgültigkeit in Sachen Weltanschauung ist im Grunde ebenfalls eine Weltanschauung, die in etwa einen oder mehrere folgender Glaubenssätze subtil oder auch lautstark propagiert:

- Alles ist relativ.

- Es gibt keine unumstößlichen transzendentalen Wahrheiten.

- Gott ist ein Phantasiegebilde entarteter Charaktere, die man in Schranken weisen muß.

- Der Staat ist nicht verpflichtet, sich kosmischen Gesetzmäßigkeiten anzupassen, denn der Mensch ist der Maßstab aller Dinge.

- Freier Markt und Wirtschaftswachstum sind unsere höchsten Güter.

Organisationen, die zu den höheren Sinnfragen undifferenziert bleiben, entpuppen sich also bei näherem Hinsehen als Sekten mit nicht beweisbaren Glaubensinhalten. Die Vertreter dieser Sekten bemühen sich, der Öffentlichkeit aufzuzeigen, wie man mit verschiedensten sozialen Programmen die Menschen wieder in die Sekten eingliedern kann, damit sie möglichst lange funktionieren. Fragen nach dem höheren Sinn sind nicht erwünscht, denn es kann ja keinen geben.

Sobald jemand über die Grundfragen des Daseins nachdenkt, wird er belächelt oder in eine philosophische oder theologische Fakultät abgeschoben, um dort Papier zu beschriften, das von der Allgemeinheit niemals gelesen werden wird. Mit transzendentalen Fragen beschäftigen sich die Massenmedien so gut wie gar nicht. Vielmehr werden die Menschen mit Nebensächlichkeiten überschüttet. Der Zeitvertreib ist eine große Herausforderung für die Sektenführer geworden. Daher wird auch wieder über eine Verlängerung der Arbeitszeit nachgedacht.

Natürlich würden die Vertreter dieser Sekten dazu sagen, dass die Menschen eben Brot und Spiele bevorzugten. Daher sei es nicht angebracht, spirituelle Bildung zu fördern. Maya, die Verkörperung der illusionierenden Energie, hat hier wirklich gute Arbeit geleistet, oder? Daher trägt maya auch den Namen durga, was soviel wie Gefängnis bedeutet. Die Gefängniswärter sind die Angestellten mayas.

Im Unterschied zum abendländisch-christlichen Verständnis lehrt die Bhagavatam-Schule jedoch, dass auch maya eine Dienerin Gottes ist, eben mit dem Auftrag, das Gefängnis zu organisieren. Im Grunde wünscht sie sich, dass wir Fragen stellen, die sich auf das Leben außerhalb der Gefängnismauern beziehen, und sie würde uns gerne entlassen. Solange wir aber gleichgültig oder neutral bleiben, können wir nicht entlassen werden, denn spirituelles Leben ist von starker Entschlossenheit geprägt.

Ihr Diener

Parivadi dasa