Die Träume der neuen Götter

Frieden ja, aber bitte nicht den Einheitsbrei der Schwurbler auf dem Festtagstisch servieren!

Thema 44/2023

shri-shuka uvacha
atma-mayam rite rajan
parasyanubhavatmanah
na ghatetartha-sambandhah
svapna-drashtur ivanjasa

"Shri Shukadeva Gosvami sprach: 'O König, solange man nicht von der Energie der Höchsten Persönlichkeit Gottes beeinflusst wird, hat die Beziehung der reinen Seele in reinem Bewusstsein zum materiellen Körper keine Bedeutung. Es ist so, als träume jemand und sehe seinen eigenen Körper arbeiten.'" (Shrimad Bhagavatam 2.9.1)

Auszüge aus der Erläuterung von HDG AC Bhaktivedanta Swami Prabhupada zu diesem Text:

"Alle nichtgottgeweihten Lebewesen möchten so mächtig werden wie der Herr, obwohl sie sich hierzu nicht eignen. Die Lebewesen werden durch den Willen des Herrn getäuscht, weil sie den Wunsch hegen, so wie Er zu werden. Ebenso, wie jemand, der König werden möchte, ohne die notwendige Eignung zu besitzen, nur davon träumen kann, König zu sein, so kann das Lebewesen, wenn es den Wunsch hegt, Gott zu werden, nur davon träumen. Der erste sündhafte Wille des Lebewesens besteht daher darin, Gott zu werden, und durch den daraus folgenden Willen des Herrn vergisst das Lebewesen sein wahres Leben und träumt vom Land Utopia, wo es wie der Herr werden kann. Das Kind weint, weil es von der Mutter den Mond haben möchte, und die Mutter gibt ihm einen Spiegel, um das weinende und lästige Kind mit dem Spiegelbild des Mondes zu befriedigen. In ähnlicher Weise wird das weinende Kind des Herrn der Spiegelung der materiellen Welt überantwortet, damit es diese Welt als Karmi beherrschen und schließlich diesen Versuch enttäuscht aufgeben kann, um mit dem Herrn eins zu werden. Beide Versuche sind nichts als traumartige Täuschungen. Es ist nicht nötig, die Vergangenheit zu durchforschen, wann das Lebewesen diesen Wunsch entwickelte. Die Tatsache ist, dass es auf Anweisung des Herrn unter die Herrschaft der atma-maya gestellt wurde, sobald dieser Wunsch in ihm wach wurde. Das Lebewesen träumt daher in seiner materiellen Bedingtheit irrtümlich: 'Dies gehört mir, und dies bin ich'. Der Traum besteht darin, dass die bedingte Seele ihren materiellen Körper für sich selbst hält oder fälschlich glaubt, sie sei der Herr und alles in Beziehung zu diesem materiellen Körper gehöre ihr. Nur im Traum besteht daher Leben für Leben die falsche Vorstellung von "ich" und "mein". Dies setzt sich Leben für Leben fort - so lange, wie sich das Lebewesen nicht in reiner Form seiner Identität als dienender und untrennbarer Bestandteil des Herrn bewusst ist. In seinem reinen Bewusstsein gibt es dann keinen solch falschen Traum, und in diesem Zustand des reinen Bewusstseins vergisst das Lebewesen nicht, dass es niemals der Herr, sondern ewig der Diener des Herrn in transzendentaler Liebe ist."

Wir wollen hier jetzt die Kurve kriegen, um endlich den Ausflug in die Bereiche verschiedener Grade der Spiritualität abschließen zu können:

Die Hauptursache für die Verständnisschwierigkeiten liegt darin, dass wir ja in unserer Erkenntnis von unserem mehr oder weniger bedeckten Bewusstseins abhängig sind. Auch wir sind von unserem bedingten Bewusstseinszustand begrenzt, können also bei unseren Darstellungen nur auf unsere begrenzten Erfahrungen zurückgreifen, die wir so gut es gut in den vedischen Kontext stellen, um wenigstens grundlegend die richtige Richtung zu weisen! Es ist wie eine schlängelnde Autofahrt im Nebel. Die Verkehrszeichen Hinweisschilder, Leitplanken und Warnleuchten sind mit den vedischen Axiomen vergleichbar, während der sichtbehindernde Nebel die Bedeckungen unseres Bewusstseins symbolisiert. Also lasst uns jetzt mal noch punktuell auf einige Feinheiten differenziert eingehen:

1. Unser Bewusstsein

Unser Bewusstsein, also das Bewusstsein der individuellen Seele, ist immer rein spirituell, leider aber eben mehr oder weniger von den materiellen Umständen, in denen es sich befindet, abgelenkt und verunreinigt. Dieses verunreingte Bewusstsein wird vedisch manchmal als feinstoffliche materielle Fakultät dem feinstofflichen Körper des jeweiligen Lebewesens hinzugerechnet. In dieser Betrachtungsweise besteht der feinstoffliche materielle Körper also aus Gemüt (oder Geist), Intelligenz, materiellem Ego und materiellem Bewusstsein.

Die Erwachenden tendieren mit ihren Teilerkenntnissen bevorzugt hin zu dem Verständnis, mit Gott eins zu sein, um dementsprechend als Schöpfer ihre jeweilige Wahrheit zu schaffen. Sie sind im allgemeinen tolerant und betonen oft, dass jede(r) seine (ihre) eigene Wahrheit habe.*** Von der allumfassenden absoluten Wahrheit, die all diese relativen Wahrheiten steuert, sprechen sie nicht gerne, weil dies eben doch den allmächtigen Herrn implizierte, den sie nicht anerkennen wollen, geschweige denn Ihm zu dienen! Die Erwachenden stellen sich über jede(n), der (die) sich als Diener der Höchsten Persönlichkeit Gottes outet. Sie sind ja selbst die Herren bzw. Herrinnen! Es fragt sich nur, wie sie eine Ordnung schaffen wollen, wenn jeder der Herr (die Herrin) ist. In der Esoterikszene sieht man (sie) bereits, wie sich diese neuen Götter gegenseitig Konkurrenz machen, nach den Klicks der Konkurrenten schielen bzw. Seitenhiebe austeilen. Natürlich lassen die Brahmavadis unter ihnen sich ihre Unsicherheit nicht anmerken, sind sie doch eins mit Gott und damit unangreifbar. Hierzu dürfen wir bestätigend anmerken, dass vedisch gesehen der Einheits-Pfad der Brahmavadis durchaus als gangbarer spiritueller Pfad angesehen wird. **** Die Vaishnavas jedoch bemitleiden die Brahmavadis, weil sie sich auf dem Einheitspfad der Ekstasen berauben, die der Bhakti-Pfad verheißt. Selbst Anfänger auf dem Pfad des Bhakti-Yoga möchten nicht auf die Vielfalt ihrer Beziehungen untereinander und besonders ihre individuelle Beziehung zu Shri Krishna verzichten. Schon ein Quant der Bhakti-Verwirklichung ist millionenfach schmackhafter als das Einheitsbewusstsein z. B. beim Anhören eines Pink-Floyd-Albums. Ja, besonders mit Pink Floyd und ähnlichen Chill-Bands kamen wir auf den durchaus guten Weg eines Einheitsbewusstseins zu einem friedlicheren Miteinander und ruhigen Meditierens. Die Erwachenden trinken also auch nur alten Wein in neuen Schläuchen. Sie können nicht im entferntesten z. B. dem Wesen gottesbewusster Komponisten wie JS Bach gerecht werden, der eben in die Ekstase seines Gottesdienstes versunken war und dementsprechend unvergleichlich ekstatische Werke schuf! So etwas funktioniert nicht, wenn man ständig in den Spiegel kuckt, um sich selbst zu loben. Es ist eben eine unvergleichlich höhere Qualität, wenn wir fruchtbaren Austausch mit dem Allmächtigen pflegen.

Ihr Diener

Parivadi dasa

*** Hier stellt sich die Frage, warum wir nach der Wahrheit streben sollen, wenn sowieso jede(r) seine (ihre) eigene Wahrheit hat. Wahrheit light hat ein Absinken jedes spirituellen Standards zur Folge; Wahrheit to go vom Kiosk; wozu studieren; viel zu anstrengend; Alle haben sowieso recht! Gut, dann schließen wir den Laden einfach! Jede(r) hat ja bereits seine (ihre) Wahrheit. "We don't need no education!" Wenden wir uns der Unterhaltung zu und lassen uns unten halten, damit wir ja nicht aufwachen!

**** Das Bhagavatam bestätigt, dass die Brahman-Verwirklichung eine vedische Art der Gotteserkenntnis ist:

vadanti tat tattva-vidas
tattvam yaj jnanam advayam
brahmeti paramatmeti
bhagavan iti sabdyate

"Gelehrte Transzendentalisten, die die absolute Wahrheit kennen, bezeichnen diese nichtdualistische Substanz als Brahman, Paramatma oder Bhagavan." (Shrimad Bhagavatam 1.2.11)

Hier folgt jetzt noch die Erläuterung des reinen Geweihten Shri Krishnas HDG AC Bhaktivedanta Swami Prabhupada zu diesem Text:

"Die Absolute Wahrheit ist sowohl Subjekt als auch Objekt und zwischen beiden besteht kein qualitativer Unterschied. Daher sind Brahman, Paramatma und Bhagavan qualitativ ein und dasselbe. Dieselbe Substanz wird von denen, die die Upanishaden studieren, als unpersönliches Brahman erkannt, von den Hiranyagarbhas oder yogis als lokalisierter Paramatma und von den Gottgeweihten als Bhagavan. Mit anderen Worten, Bhagavan oder die Persönlichkeit Gottes ist der höchste Aspekt der Absoluten Wahrheit; Paramatma ist die Teilrepräsentation der Persönlichkeit Gottes und das unpersönliche Brahman ist die leuchtende Ausstrahlung der Persönlichkeit Gottes, so, wie das Sonnenlicht die Ausstrahlung des Sonnengottes ist. Weniger intelligente Schüler, ganz gleich welcher der oben genannten Schulen sie angehören, argumentieren manchmal zugunsten ihrer eigenen jeweiligen Verwirklichung , aber diejenigen, die vollkommene Seher der Absoluten Wahrheit sind, wissen sehr wohl, dass die drei obigen Aspekte der einen Absoluten Wahrheit verschiedene Betrachtungsweisen darstellen, die sich aus den verschiedenen Blickwinkeln ergeben. ...

Deshalb ist Rechthaberei zwischen Brahmavadis (Anhänger des Einheitsbewusstseins), den Paramatma-Verstehern und den Gottgeweihten meistens Zeitverschwendung, obgleich jeder seine Verwirklichungen im vedischen Sinne vortragen kann, ohne die anderen herabsetzen zu müssen! Die Gottgeweihten erlauben sich aus gutem Grund, auf Bhagavan, den Höchsten Herrn, als urerste Quelle von allem hinzuweisen, den sie verehren und dem sie für alle Ewigkeit dienen möchten! Diejenigen, die lieber die qualitative Einheit mit Gott genießen möchten, sei dies gerne gegönnt; Das gleiche gilt für die selbstverwirklichten yogis, die den höchsten Herrn im Herzen verwirklicht haben, also den Paramatma-Aspekt.

Darum wollen wir an dieser Stelle ohne jede Polemik in Frieden schließen!