Materielles Bewusstsein als Ursache bedingten Lebens

Das Zusammenspiel feinstofflicher Phänomene

Thema 45/2023

tad asya samsritir bandhah
para-tantryam cha tat-kritam
bhavaty akartur ishasya
sakshino nirvritatmanah

"Materielles Bewusstsein ist die Ursache bedingten Lebens, in welchem dem Lebewesen von der materiellen Natur Bedingungen aufgezwungen werden. Obwohl die spirituelle Seele nichts tut und zu solchen Tätigkeiten in transzendentaler Stellung steht, wird sie so von dem bedingten Leben beeinflusst." (Shrimad Bhagavatam 3.26.7)

Auszüge aus der Erläuterung von HDG AC Bhaktivedanta Swami Prabhupada zu diesem Text:

"Im bedingten Leben gleicht das Lebewesen einem Gefangenen in den Händen der materiellen Energie. Was immer die materielle Energie vorschreibt, tut die bedingte Seele. ... Zusammenfassend kann man sagen, dass das Elend der bedingten Seele auf ihre Anhaftung an die materielle Natur zurückzuführen ist. Diese Anhaftung sollte auf Krishna übertragen werden."

Weiter geht es mit Auszügen der Erläuterung zum Shrimad Bhagavatam 3.26.8:

"Hier heißt es klar, dass die bedingte Seele gezwungen wird, eine bestimmte Art von Körper und Sinnen unter den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur anzunehmen. Diesen Körper bekommt sie nicht nach freier Wahl; Sie muss einen bestimmten Körper je nach ihrem Karma annehmen. Doch wenn körperliche Reaktionen wie Glück und Leid empfunden werden, versteht man, dass die Ursache die spirituelle Seele selbst ist. Wenn sie es nämlich wünscht, kann die spirituelle Seele dieses bedingte Leben der Dualitäten ändern, indem sie sich entscheidet, Krishna zu dienen. Das Lebewesen ist die Ursache seines eigenen Elends, doch kann es auch die Ursache seines ewigen Glücks sein. ..."

Wir wollen hier jetzt die Kurve kriegen, um endlich den Ausflug in die Bereiche verschiedener Bewusstseinsebenen abschließen zu können:

Die Hauptursache für die Verständnisschwierigkeiten liegt darin, dass wir ja in unserer Erkenntnis von unserem mehr oder weniger bedeckten Bewusstsein abhängig sind. Auch wir sind von unserem bedingten Bewusstseinszustand begrenzt, können also bei unseren Darstellungen nur auf unsere begrenzten Erfahrungen zurückgreifen, die wir so gut es geht in den vedischen Kontext stellen, um wenigstens grundlegend die richtige Richtung zu weisen! Es ist wie bei einer Geisterfahrt im Nebel. Die Verkehrszeichen, Hinweisschilder, Leitplanken und Warnleuchten sind mit den vedischen Axiomen vergleichbar, während der sichtbehindernde Nebel die Bedeckungen unseres Bewusstseins symbolisiert. Also lasst uns jetzt mal noch punktuell auf einige Feinheiten differenziert eingehen:

1. Bewusstsein ist der zentrale Aspekt unserer individuellen Existenz

Unser Bewusstsein, also das Bewusstsein der individuellen Seele, ist immer rein spirituell, leider aber eben mehr oder weniger von den materiellen Umständen, in denen es sich befindet, abgelenkt und verunreinigt. Dieses verunreingte Bewusstsein wird vedisch manchmal als materiell feinstoffliches Phänomen dem feinstofflichen Körper des jeweiligen Lebewesens zugerechnet. In dieser Betrachtungsweise besteht der feinstoffliche Körper also aus Gemüt (oder Geist), Intelligenz, Ego und verunreinigtem Bewusstsein. Jetzt wird klar, wie wir aus der materiellen Gefangenschaft spirituell-technisch direkt austreten können, nämlich indem wir unser Bewusstsein kraft unserer Seelenkraft auf die spirituelle Welt richten. Dieser direkte Weg der spirituellen Meditation hört sich einfacher an als er ist. Meistens stecken wir so sehr fest, dass es uns undenkbar erscheint, einfach mal so auszutreten. Wie Sie richtig ahnen mögen ist der zentrale Vorgang bei den Hare-Krishnas, sich auf die spirituellen Namen Shri Krishnas zu konzentrieren:

Hare Krishna Hare Krishna
Krishna Krishna Hare Hare
Hare Rama Hare Rama
Rama Rama Hare Hare

Diese rein spirituelle Klangmeditation versetzt uns direkt in den rein spirituellen Raum, in reinem Bewusstsein, was jedoch graduell entsprechend unserer Anhaftungen an die materiellen Umstände abgeschwächt erscheint. Loslassen ist hier das wichtigste Prinzip, was besonders am frühen Morgen besser gelingt als tagsüber.

2. Das Zusammenspiel der feinstofflichen Elemente

Hier nochmals die für unser materielles Leben entscheidenden feinstofflichen Faktoren im einzelnen und wie sie miteinander interagieren:
(frei nach Parivadi dasa; Es gibt hierzu unzählige vedisch fundierte Abhandlungen, die sicher noch mehr Einsicht bewirken.)

a) Verunreinigtes Bewusstsein = Eigensinn

Wir fangen bei der Analyse der feinstofflichen Realität mit dem verunreinigten Bewusstsein an, weil es sozusagen die erste Stufe unserer Reise in die Materie darstellt. Wir hatten uns ja aus freien Stücken für ein eigensinniges Leben entschieden, und genau dieser Eigensinn ist die Verunreinigung, weil reines Bewusstsein im Einklang mit den Wünschen des Höchsten Herrn steht. Sobald diese Einheit aufgrund unserer ureigenen Entscheidung verloren geht, ist unser Bewusstsein materiell verunreinigt. Nichtsdestotrotz bleibt das Bewusstsein, obschon verunreinigt, unsere Wahrnehmungskraft, ist also die direkte Verbindung zur individuellen Seele. Die spirituelle Seele bildet mit dem Bewusstsein eine untrennbare Einheit. Unser Bewusstseinszustand ist mithin der wichtigste Faktor unserer Wahrnehmung und damit der Lebensqualität.

b) Das Resultat des Eigensinns ist das materielle Ego, welches der Anker (vedisch ahankara) unserer materiellen Existenz ist und unsere materielle Identität festlegt. Nun glaubt man, ein vom Höchsten Herrn unabhängiger Genießer zu sein. Das materielle Ego ist ein Element, welches kosmisch von Lord Shiva konstituiert und betreut wird.

c) Hierarchisch dem materiellen Ego untergeordnet ist die Intelligenz des Lebewesens, welche von Lord Brahma konstituiert und betreut wird. Die Überseele in unseren Herzen wirkt direkt auf unsere Intelligenz ein, um unsere Entscheidungsprozesse entsprechend unseres Schicksals zu lenken. Ja, das kommt den meisten Lesern sicher höchst erstaunlich vor, aber es ist so, dass all unser Handeln vom Höchsten Herrn bestimmt wird. Unser Schicksal beruht auf unserem vergangenen Tun und Denken und wird landläufig als Karma bezeichnet.

d) Zusammen mit der Intelligenz treten die Lebenslüfte als Manifestation der Lebensenergie (Prana) in Aktion. Diese feinstofflichen Kräfte versorgen die Körperfunktionen mit Kraft und zirkulieren in einem gesunden Körper entsprechend der universalen Gesetze um die Chakren, also die Energiezentren. Der Ursprung und Lenker der Prana ist die Überseele, die unseren fein- und grobstofflichen Körper zu 100 % lenkt und lebend erscheinen lässt. Sie ist im Herzen eines jeden Lebewesens als bester Freund situiert.

e) Unser Gemüt , welches auch gerne als Geist bezeichnet wird, ist unser Fühlen, Denken und Wollen. Bei gemütszentrierten Lebewesen wird das Gemüt als die zentrale Lebensqualität definiert. Ja, wer sich nicht wohlfühlt möchte idR aufhören zu leben, während z. B. intelligenzzentrierte Menschen sich durch einen schlechten Gemütszustand nicht verwirren lassen und das mittels der Intelligenz anvisierte Ziel weiter verfolgen. So gesehen sind die gemütszentrierten Lebewesen eher passiv, trinken Bier und lieben entsprechende Geselligkeit. Darum ist das Gemüt die unterste Kategorie des feinstofflichen Geschehens. Das Gemüt kann sich nicht selbst sozusagen an den Haaren aus dem Sumpf ziehen. Klassisch gesehen wird hierfür eine starke Intelligenz benötigt, die einen zielführenden Kurs angibt und beibehält. Das Gemüt ist in seiner Grundqualität ein Spiegelbild des verunreinigten Bewusstseins und wird von Shri Vishnu betreut. Shri Vishnu wünscht sich für uns einen reinen tugendhaften und damit glücklichen Gemütszustand. Diesen erreichen wir am effektivsten, wenn wir direkt auf unser Bewusstsein einwirken, mittels direkter spiritueller Meditation über die spirituelle Welt.

Wir hoffen, dass Sie mit dieser Darstellung in Ihrer Einsicht der feinstofflichen Zusammenhänge voran kommen. Wir können hier nicht der Weisheit letzten Schluss verkünden, weil der feinstoffliche Erkenntnisprozess schier unendlich erscheint. Für Bhakti-Yogis reicht im allgemeinen das Verständnis aus, welches Shri Krishna in Seiner Bhagavad-gita vermittelt. Bleiben Sie also bitte bodenständig und vertrauen Sie auf das ewig gute Walten des Höchsten Herrn. Dann sind Sie immer auf der sicheren Seite.

Ihr Diener

Parivadi dasa