Wer ist schuld?

Thema 48/2015

Wenn es zu individuellen oder kollektiven Problemen kommt, ist man oder frau dazu geneigt, den/die Schuldige(n) zu suchen. Dazu wollen wir heute folgende Gedanken beisteuern:

Leo Tolstoj, der berühmte russische Schriftsteller, stellte besonders auch in seinem Roman Krieg und Frieden fundamentale Überlegungen hinsichtlich der Ursachen von gesellschaftlichen Phänomenen an, speziell wegen des Russlandfeldzuges von Napoleon im Jahr 1812, um den es in diesem Roman ja geht. Der Romanheld Pierre, ein materiell erfolgloser russischer Adeliger, kommt beim Vordringen der Franzosen gen´ Moskau auf die Idee, er - Pierre - sei vom Schicksal dafür auserwählt, den bösen Napoleon mittels eines Schusses aus seiner Pistole zu beseitigen, um so das schlimmste für Russland zu verhindern. Entsprechend den historischen Tatsachen kann Pierre seinen Plan nicht verwirklichen, und die Geschichte nimmt ihren Verlauf. Die Russen siegen zum Schluss doch noch, auch ohne Pierre. Tolstoj kommt angesichts der Machtlosigkeit des einzelnen zu dem Ergebnis, dass das kollektive Geschehen göttlich gesteuert wird und nicht auf einzelne isoliert betrachtete Faktoren zurück geführt werden kann.

Wer ist also schuld am Elend dieser Welt?

Unzählige Bände von Literatur werden jährlich veröffentlicht, wenn es um die Schuldfrage z. B. hinsichtlich des ersten Weltkrieges geht. Ja sogar die Alleinschuld Hitlers am zweiten Weltkrieg wird mehr und mehr in Zweifel gezogen, ganz im Sinne von Leo Tolstoj, der nicht an allein Schuldige oder Verantwortliche glaubte. Auch unsere Bundeskanzlerin lässt ihre Vermutung verlauten, die Flüchtlinge würden den Deutschen sozusagen von Gott serviert:

1. Sicher kann man nicht Putin die Schuld geben, wenn er jetzt in Syrien die IS-Krieger außer Gefecht setzen will, damit aber das Flüchtlingsdrama erst einmal aufgrund von Bombenkrieg noch angeheizt wird, sozusagen als Nebenwirkung einer notwendigen Operation im Nahen Osten?

2. Viele haben sich auf den Träger des Friedensnobelpreises Obama eingeschossen, der für die Destabilisierung des Nahen Ostens im allgemeinen zusammen mit seinem Vorgänger Bush verantwortlich gemacht wird?

3. Frau Merkel wird beschuldigt, die Flüchtlinge durch falsche Versprechungen angelockt zu haben?

Die Bundeskanzlerin scheint angesichts der Komplexität des Themas recht zu haben: Wir Deutsche könnten das auserwählte Volk sein, und wir sollen durch höchst mögliche Duldsamkeit gleichsam ein gutes Beispiel für die Welt geben nach dem Motto „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“. Bei allem Gutmenschentum haben wir jedoch Zweifel, ob das SO gut gehen kann.

Darum stehen wir da wie Dr. Faust, der bei Goethe auch nicht wirklich weiter weiss und ausruft:

„Da steh´ich nun ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.“

Zum Glück können wir aus der Vaishnava-Theologie substanzielles zu diesem Thema beitragen:

Seine göttliche Gnade A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada erwähnte mehrmals im Zusammenhang mit den Problemen des Abendlandes, dass eine mathematische Gleichung nicht aufgehen kann, wenn ein oder mehrere Faktoren falsch sind. Besonders erwähnte er die Schlachthäuser, in denen täglich Millionen von fühlenden Wesen abgemetzelt werden. Dies passt nicht zu einer Gesellschaft, die sich als zivilisiert ausgibt. Leo Tolstoj sagte dazu treffend:

„Solange es Schlachthäuser gibt, solange wird es Kriege geben.“

Tja, es ist einfacher als man denkt, wenn man die richtigen Weichen stellt. Solange man jedoch eine doppelte Moral fährt, kommt man keinen Millimeter weiter.

Es nützt also gar nichts, irgend welche Sündenböcke zu suchen, um eine reisserische Antwort verkünden zu können. Wir sind nicht fähig, das gesellschaftliche Karma-Knäuel zu entflechten. Gott allein hat die Übersicht und übersieht keine Verlogenheit, auch wenn sie noch so schön erscheinen mag. Da haben die echten Juden recht, die da lehren: "Erst mal die Gebote Gottes achten, dann über Gerechtigkeit reden". Und in der Bibel heißt es eindeutig "Du sollst nicht töten!" Solange wir jedoch das Gegenteil davon tun, können wir keine besonders guten Zustände in unserem Land erwarten. Die Reaktionen auf unsere Grausamkeiten lassen sich nicht mittels Stacheldraht aufhalten.

Ihr Diener

Parivadi das