Wenn es den Göttern langweilig wird

Der höhere Geschmack

Thema 51/2023

vishaya vinivartante
bniraharasya dehinah
rasa-varjam raso 'py asya
param drishtva nivartate

"Die verkörperte Seele kann zwar von Sinnenfreuden zurückgehalten werden, doch der Geschmack für die Sinnesobjekte bleibt. Wenn sie jedoch solche Neigungen aufgibt, da sie einen höheren Geschmack erfährt, ist sie im Bewusstsein gefestigt. (Bhagavad-gita 2.59)

In unserem vorletzten Beitrag sind wir uns aus der Vogelperspektive über das stereotype Leben der meisten Menschen bewusst geworden. Nun wollen wir mal sehen, was der Mensch oder Gott sich eigentlich erträumt:

Nach dem zweiten Weltkrieg kam es zum deutschen Wirtschaftswunder:

Ein kleines Häuschen, ein Auto und dann das Fernsehgerät und auch allgemein bescheidener Wohlstand; Waldeslust mit Wanderschuhen oder Fahrrad; Schon fertig war das Arbeiterparadies. Stellen wir uns mal vor, dass dieser paradiesische Zustand Jahr für Jahr anhielte:

Im Sommer an die Adria, Weihnachten mit festlicher Bescherung; Was will man (sie) mehr? Für die fleißigen Heimwerker gibt es ständig neue Maschinen und Patente; wunderbar, so wird es dem Otto-Normalverbraucher nie langweilig. So lässt's sich doch leben, oder?

Aber was ist mit dem Adel auf den Burgen und Schlössern bzw. heutzutage mit dem Geldadel? Sie haben viel Zeit und nicht selten treiben sie es bunt. So entstanden im Mittelalter zur Unterhaltung der Obrigkeit insbesondere Heldensagen wie Siegfried, der Drachentöter usw. Man (Sie) erschuf also schöne Romane zur Unterhaltung der Oberschicht aber auch für die Bevölkerung. Die Menschen sehnen sich nach Heldengeschichten, weil sie ihr eigenes Leben oftmals als zu trist empfinden. Noch schlimmer geht es den neuen Göttern, die sich ja am liebsten in ihr eigenes Ich zurückziehen und ihr Einheitsbewusstsein genießen möchten. Anfangs wirkt die Selbsterkenntnis erlösend, weil man (sie) sich von den weltlichen Sorgen und Nöten loslöst und ins Licht strebt. Das ist alles in Ordnung, jedoch kommt es im Einheitsbewusstsein gern zu gähnender Langeweile, obwohl keine materiellen Leiden erfahren werden. Die ewige spirituelle Seele, die wir sind, sehnt sich nach Abenteuern und kommt wieder in die materielle Welt zurück, um neue Runden zu drehen. In der Vaishnava-Theologie jedoch gibt es keine Räume der Langeweile, weil die Höchste persönliche Quelle von allem, Shri Krishna, stets frisch und neu mit Seinen Geweihten transzendentale Erfahrungen macht. Diese Geschichten werden von der Hare-Krishna-Tradition sorgsam überliefert, gesungen, gelesen und gehört. Wer hier ernsthaft einsteigt wird niemals mehr in Langeweile verfallen, und zum guten Ende wird der Praktizierende in die ewigen spirituellen Welten versetzt, wo glückselige Aktivitäten von der Quelle inszeniert, erhalten und genossen werden.

Der Bhakti-Pfad führt bei ernsthaften Kandidaten zur Ausbildung und Festigung eines höheren Geschmacks. Der Yogi gibt drittklassige bzw. zweitklassige Vergnügungen auf, um sich dem Lebensgefühl in der ursprünglichen spirituellen Welt anzunähern. Diese Bewusstseinserweiterung findet selbstverständlich unter der Aufsicht der Überseele statt. Die höheren Bewusstseinsstufen werden dem jeweiligen Yogi nur zuteil, wenn er sich auf seiner jeweiligen Vorstufe als vertrauenswürdig erweist. Eine Gipfelstürmerei ist also ausgeschlossen.

Kurzum geht es dem Yogi um die Erlangung des Krishna-Bewusstseins. Dieser Zustand ist mit dem Lebensgefühl in der spirituellen Welt deckungsgleich, und beim Verscheiden gelangt der Yogi dann zurück in die spirituelle Welt.

Auf diese Weise haben wir jetzt kurz erklärt, um was es uns eigentlich wirklich geht; Wir wollen unseren ursprünglich reinen Bewusstseinszustand zurück erlangen, den wir aufgrund unseres Eigensinns vor langer langer Zeit verloren haben (s. Beitrag 45/2013).

Ein fortgeschrittener Bhakti-Yogi erklärt seine Befreiung aus dem durchschnittlich materiellen Bewusstsein hin zum transzendentalen Bewusstsein wie folgt:

"Seitdem mein Geist im Dienst der Lotosfüße Shri Krishnas beschäftigt ist und ich dabei eine immer neue transzendentale Gemütsstimmung genieße, wende ich mich augenblicklich ab, sobald ich an sexuelle Beziehungen zu einer Frau denke, und ich speie auf den Gedanken." (Zitat von Shri Yamunacharya, einem großen Lehrer des Bhakti-Pfades, ca. 11. Jahrhundert AD))

Ja, echter spiritueller Fortschritt zeigt sich im Grad der Loslösung von sexuellen Verlangen! Das klingt in den meisten modernen Ohren unerträglich konservativ, jedoch ist es ein Faktum. Solange man im geschlechtlichen Dschungel gefangen ist kann von Befreiung keine Rede sein! Dieses spirituelle Grundgesetz war und ist allen echten Yogis vertraut. Eine erste gute Ausgangsposition zur Erlangung dieser höheren Bewusstseinsqualität ist das Leben in einer festen verantwortungsbewussten Partnerschaft, in der die Eheleute miteinander durch Dick und Dünn gehen und Treue üben und praktizieren. Hierdurch entwickeln sich höhere Erfahrungsräume, die durch Treue, Reinheit, Fürsorge und viele andere höhere Ideale geprägt sind. Im Zuge dieser Höherentwicklung lässt das sexuelle Verlangen je nach Fortschritt nach. Im vedischen Kontext trennen sich die Eheleute im Alter, um ein meditatives Lebensende zum Beispiel an heiligen Orten oder in Abgeschiedenheit zu verbringen. Im Kali-Yuga jedoch verzichten die Eheleute meist auf die Trennung und leben friedlich in gegenseitiger Fürsorge bis zum Lebensende weiter.

Eine besonders effektive Methode, den höheren transzendentalen Geschmack zu erlangen ist es, den seit Jahrtausenden überlieferten Geschichten über das Wirken Shri Krishnas auf der Erde zu lauschen. Hier ein Link zur Geschichte über den Syamantaka-Juwel. Viel Freude wünscht

Ihr Diener

Parivadi dasa