Shrila Prabhupada spricht über Augustinus

Auszüge aus Beyond Illusion and doubt


Die meisten Theologen sehen in Augustinus den wichtigsten Initiator der römisch-katholischen Kirche und einen der bedeutendsten christlichen Philosophen.

Schüler: Augustinus stellte die Seele als spirituell und verschieden vom materiellen Körper heraus, aber er glaubte, dass die Seele vor der Geburt des Körpers nicht existierte. Er dachte, die Seele sei der höhere und der materielle Körper der niedere Teil der Person. Die Seele sei unsterblich, nachdem sie von Gott geschaffen werde. Nach dem Tod, so Augustinus, lebe die Seele ewig weiter.

Shrila Prabhupada: Wie kann man von Unsterblichkeit sprechen, wenn die Seele geschaffen wurde ? Wie kann die Seele manchmal nicht unsterblich sein ?

Schüler: Nun, erst einmal sprach Augustinus davon, dass nach Adams Abfall von Gott alle Menschen grundsätzlich dem Tode ausgeliefert seien. Einige Menschen seien aber dazu auserwählt, nach dem Tod zu ewiger Glückseligkeit zu gelangen, während andere seelisch absterben würden.

Shrila Prabhupada: Bildlich gesprochen ist es tatsächlich so, dass man eine Art Tod erleidet, wenn man seine Identiät als Diener Gottes vergisst, aber in Wirklichkeit ist die Seele ewig. Was Augustinus als Tod der Seele bezeichnet ist in Wirklichkeit ein Zustand des Vergessens. Es ist wahr, dass man als spirituell tot bezeichnet werden kann, solange man materiell bedingt ist, obwohl man in einer materiellen Form verkörpert ist. Dieses Vergessen ist also tatsächlich eine Art von Tod, da man erst dann wirklich als lebendig bezeichnet werden kann, wenn man gottesbewusst ist. Auf jeden Fall ist die Seele aber ewig und überlebt den Tod des Körpers.

Schüler: Augustinus würde sagen, dass der Zustand des Vergessens in einigen Fällen ewig währt, dass Gott die Seele sozusagen ewig verdammt.

Shrila Prabhupda: Das stimmt nicht. Unser Bewusstsein kann jederzeit wiederhergestellt werden, das ist die Prämisse unserer Hare-Krishna-Bewegung. Jemand mag schlafen, aber der Weckruf wird in seine Ohren eindringen und er wird erwachen. In ähnlicher Weise erweckt das Chanten des Hare-Krishna-Mantras unser spirituelles Bewußtsein. Dann können wir zu unserem normalen spirituellen Leben zurückkehren.

Natürlich ist man in dem Sinne ewig verdammt, dass man für Millionen von Jahren in einem Zustand des Vergessens verbleibt. Man mag es als Ewigkeit ansehen, aber es ist eine Tatsache, dass unser spirituelles Bewußtsein jeden Moment wieder erweckt werden kann, wenn wir in guter Gemeinschaft über Krishna hören und über Ihn sprechen. Hingebungsvoller Dienst beginnt daher mit sravanam - Hören. Gerade am Anfang ist Hören sehr sehr wichtig. Wenn man die Wahrheit von einer selbstverwirklichten Seele hört, kann man zum spirituellen Leben erwachen und im hingebungsvollen Dienst verbleiben.

Schüler: Augustinus wies die Ansicht zurück, dass die materiellen Körper der Lebewesen eine Art Strafe für deren Sündhaftigkeit sei.

Shrila Prabhupada: Die Seelen sind von ihrer wahren Natur Teile Gottes, aber in der materiellen Welt sind die Seelen tatsächlich in verschiedensten materiellen Körpern gefangen. In der Bhagavad-gita sagt Shri Krishna:

sarva-yonisu kaunteya murtayah sambhavanti yah tasam brahma mahad yonir aham bija-pradah pita

"Man sollte verstehen, daß alle Lebensformen, o Sohn Kuntis, durch Geburt in der materiellen Natur ermöglicht werden und daß Ich der samengebende Vater bin." (BG 14.4)



Von der materiellen Natur, der Mutter, werden verschiedene Spezies bereitgestellt. Man kann solche Formen in der Erde, dem Wasser, der Luft und sogar im Feuer finden. Die individuellen Seelen sind allerdings Teilchen Gottes, Der diese in die materielle Welt entsendet. Die Lebewesen nehmen dann aus einem Mutterleib heraus Geburt. Es sieht so aus, als ob die Seele aus dieser Materie geboren wird, aber die Seele selbst besteht nicht aus Materie. Die Seele ist immer ein Teil Gottes und nimmt entsprechend ihrer frommen oder sündhaften Wünsche und Handlungen materielle Körper an. Eigentlich sind die Wünsche des Lebewesens die Ursache für höhere oder degenerierte Körper. Aber die Seelen bleiben immer die gleichen. Daher sagt man, dass diejenigen, die im spirituellen Wissen fortgeschritten sind, überall die spirituelle Seelen sehen, sei es im Körper eines Hundes oder eines brahmanas - Priesters.

Schüler: Augustinus dachte, die Seele sei für das Leben in einem speziellen Körper geschaffen, der ihr von Gott geschenkt sei. Er wies den Gedanken der Reinkarnation zurück. ... Wie kann der materielle Körper gleichzeitig ein Geschenk und eine Strafe sein?

Shrila Prabhupada: Ist es nicht eine Strafe, wenn man als Schwein oder ähnlich niedriges Lebewesen verkörpert wird? Warum wird jemand der Himmeslkönig Indra oder der Weltenschöpfer Brahma und ein anderer ein Schwein oder ein Insekt? ... Als Belohnung bekommt man den Körper Brahmas oder Indras, als Bestrafung den eines Schweines oder eines Insekts.

Schüler: Somit hängt der Grad der Bestrafung oder des Leides vom Körper ab, den man hat.

Shrila Prabhupada: Ja. Es gibt viele Menschen, die gut situiert sind, während andere leiden. Glück und Leid hängen vom Körper ab. Das wird in der Bhagavad-gita erklärt:

"matra-sparsas tu kaunteya sitosna-shuka-duhkha-dah agamapayino nityas tams titiksasva bharata"

"O Sohn Kuntis, das unbeständige Erscheinen von Glück und Leid und ihr Verschwinden im Laufe der Zeit gleichen dem Kommen und Gehen von Sommer und Winter. Sie entstehen durch Sinneswahrnehmung, o Nachkomme Bharatas, und man muß lernen, sie zu dulden, ohne sich verwirren zu lassen." (BG. 2.14)



Jemand mag Kälte nicht mögen, während ein Fisch nicht davon agitiert wird. Es hängt also vom Körper ab. Daher ist der Körper die Quelle von Leid und Genuß - oder wir können es als Strafe oder Belohnung bezeichnen.

Schüler: Was ist mit dem menschlichen Körper? Ist er eine Geschenk oder eine Strafe ?

Shrila Prabhupada: Beides ist wahr. Wie in anderen Lebensformen bestraft die materielle Natur das Lebewesen auch in der menschlichen mit so vielen Leiden. Aber gleichzeitig kann man den menschlichen Körper auch als ein Geschenk ansehen, da wir in der menschlichen Lebensform auf Gott zugehen können. ... Auch wenn wir den Körper dafür erhalten haben, unser Verhalten zu verbessern, kann er als Geschenk angesehen werden.

Schüler: Nach Augustinus geht dem spirituellen Körper der materielle Körper voraus. ...

Shrila Prabhupada: Nein. Jedes Lebewesen hat einen ewigen spirituellen Körper, der schon vor der materiellen Geburt existiert. Wie bereits gesagt wurde handelt es sich um eine Art Bestrafung, wenn man in einen materiellen Körper versetzt wird. Jede Seele ist ewiglich ein Teil Gottes, aber wegen seiner Sündhaftigkeit kommt das Lebewesen in die materielle Welt. In der Bibel steht, dass Adam und Eva das Paradies verloren haben, weil sie ungehorsam waren. Die Seele gehört zum Paradies im Himmel - den Planeten Shri Krishnas -, aber irgendwie ist sie in diese materielle Welt gefallen und hat einen materiellen Körper angenommen. Entsprechend seiner Handlungen wird man entweder belohnt oder degradiert - als ein Halbgott, ein Mensch, ein Tier oder eine Pflanze. In jedem Fall aber steht die Seele über dem materiellen Körper. Das wird in der vedischen Literatur bestätigt. Unser ursprüngliches spirituelles Leben wird wiederbelebt, wenn wir von der materiellen Verunreinigung befreit werden, oder anders ausgedrückt, wenn wir von der Reinkarnation frei werden.

Schüler: Augustinus stellte sich eine Welt vor, in der alle Seelen glückselig und liebevoll Gott verherrlichen. Der freie Wille sei jedoch immer noch vorhanden, aber die Sünde habe dort keinen Zutritt.

Shrila Prabhupada: Ja, wer in Verbindung mit Gott steht, kann durch Sünde nicht berührt werden. Entsprechend unserer Wünsche haben wir mit verschiedenen Erscheinungsweisen der materiellen Natur Gemeinschaft und erhalten verschiedene Körper. Die Natur, ein Diener Krishnas, stellt uns Möglichkeiten in Form von materiellen Körpern zur Verfügung, die mit Maschinen verglichen werden können: "Vater, gib mir ein Fahrrad!" ... und der mitfühlende Vater liefert es. Das ist genauso wie in unserer Beziehung zu Krishna, wie Er in der Bhagavad-gita erklärt:

"ishvarah sarva-bhutanam hrid-deshe `rjuna tishthati brahmayan sarva-bhutani yantrarudhani mayaya"

"Der Höchste Herr weilt im Herzen eines jeden, o Arjuna, und lenkt die Wege aller Lebewesen, die sich auf einer Maschine befinden, die aus materieller Energie besteht". (BG 18.61)



Der höchste Vater, Krishna, befindet sich im Herzen eines jeden. Entsprechend den Wünschen der Lebewesen gibt Er uns Körper, die von der materiellen Natur geschaffen werden. Diese Körper unterliegen materiellem Leid, aber die spirituellen Körper in Vaikuntha (spiritueller Himmel) unterliegen nicht der Geburt, dem Alter, der Krankheit und dem Tod oder den dreifachen Leiden. Die spirituellen Körper sind ewig, voller Wissen und Glück.

Schüler: Laut Augustinus sind der menschliche Geist und die Seele ein und dasselbe. Er sprach von der vernunftbegabten Seele.

Shrila Prabhupada: Nein, sie sind verschieden. Die Seele kann in verschiedene Körper gelangen, die völlig verschieden denken, fühlen oder wollen - verschiedene Geister. Zum Beispiel unterscheidet sich der Hundegeist vom menschlichen Geist, aber man kann nicht sagen, dass ein Hund keine Seele habe. Somit differiert der Geist entsprechend dem Körper, während die Seele immer die gleiche bleibt.

Schüler: Nun, weil er die Seele und den Geist vermischte, hielt Augustinus die Seelen der Tiere nicht für ewig wie die vernunftbegabten Seelen der Menschen. In dieser Weise konnte er das Töten von Tieren rechtfertigen. Er schrieb: "Tatsächlich gibt es Menschen, die den Grundsatz "Du sollst nicht töten" auch auf wilde Tiere und Haustiere ausdehnen und behaupten, es sei gesetzwidrig, solche Tiere zu töten. Aber warum sollte man dann nicht auch Pflanzen etc. miteinbeziehen, die im Boden verwurzelt sind? ... Indem wir diesen Unsinn zurückweisen, wenden wir den Grundsatz "Du sollst nicht töten" nicht auf Pflanzen an, die keine Sinneswahrnehmung haben, oder auf unvernünftige Tiere ... . Durch die weise Fügung des Schöpfers sind sie für unseren Gebrauch bestimmt, tot oder lebendig. Das Gesetz "Du sollst nicht töten" wenden wir also nur hinsichtlich der Menschen an, uns selber und anderer.

Shrila Prabhupada: In der Bibel steht "Du sollst nicht töten" - ohne solche Unterschiede zu machen. Die vedischen Schriften jedoch erkennen an, dass ein Lebewesen dem anderen als Nahrung dient. Das ist ein Naturgesetz. Wie es im Shrimad Bhagavatam heißt: Tiere, die Hände haben, essen solche, die keine Hände haben, und die vierfüßigen Tiere essen Tiere, die sich nicht bewegen können sowie auch Pflanzen. Damit sind also die Schwachen die Nahrung für die Starken. Man muß also Tiere oder Pflanzen essen - wie auch immer, man muss Lebewesen essen. Es geht also lediglich um die Frage der Auswahl. Unsere krishna-bewusste Philosophie lehrt uns jedoch nicht, dass wir unser Essen entsprechend der Erwägung auswählen, dass das Leben von Pflanzen weniger sinnlich als das der Tiere oder der Menschen ist. Wir sehen alle Menschen, Tiere und Pflanzen als beseelte Lebewesen an. Ungeachtet der vegetarischen oder nicht vegetarischen Ernährung sind wir vom Grundsatz her darauf bedacht, Krishna-Prasadam als Diät zu wählen, Essen, das wir vorher mit Liebe und Hingabe Krishna darbringen. Wir akzeptieren, was immer uns Krishna übriglässt. In der Bhagavad-gita sagt Shri Krishna:

"patram pushpam phalam toyam yo me bhaktya prayacchati tad aham bhakty-upahritam ashnami prayatatmanah"

"Wenn Mir jemand mit Liebe und Hingabe ein Blatt, eine Blume, eine Frucht, oder etwas Wasser opfert, werde Ich es annehmen." (BG 9.26)



Das ist unsere Philosophie. Wir sind daran interessiert, die Überreste von Krishnas Essen zu akzeptieren und nennen diese prasadam, Barmherzigkeit.

Da wir mit Liebe und Hingabe gegenüber Krishna handeln möchten, sollten wir herausfinden, was Er möchte und nur dies darbringen. Wir können Ihm nicht irgendetwas anderes anbieten. Fleisch, Fisch und Eier können Krishna nicht geopfert werden. Wenn Er solche Dinge wünschte, so hätte Er dies gesagt. Dagegen hat Er uns gebeten, Ihm Blätter, Früchte, Blumen und Wasser zu geben. Wir sollten daher verstehen, dass Er Fleisch, Fisch und Eier nicht akzeptieren wird. Gemüse, Getreide, Früchte, Milch und Wasser sind die geeignete Nahrung für Menschen und werden hier von Krishna Selbst empfohlen. Was immer wir sonst noch essen möchten, können wir Krishna nicht darbringen, da Er es nicht akzeptieren würde. Wenn wir solche unerwünschten Dinge essen, können wir nicht auf der Ebene von Liebe und Hingabe handeln.

Schüler: Was Frieden angeht, so schreibt Augustinus: "Frieden zwischen dem sterblichen Menschen und seinem Schöpfer besteht in dienender Bereitschaft, geleitet von Glaube und Gottes ewigem Gesetz ..."

Shrila Prabhupada: Ja, Frieden bedeutet, sich Gott zu nähern. Ein unwissender Mensch denkt, er sei der Genießer in dieser Welt, aber wenn er mit Gott in Kontakt kommt, versteht er, dass Gott der Genießer ist. Der Diener stellt bereit, was der Meister möchte, und wir sind Gottes Diener, die zu Seiner Freude beitragen. Eigentlich hat Gott keine Bedürfnisse, die wir zufriedenstellen müssen, aber Er genießt es, mit Seinen Dienern Gemeinschaft zu haben und die Diener genießen es, mit Ihm Gemeinschaft zu haben. Ein Diener ist glücklich, einen guten Meister zu haben, und ein Meister ist glücklich, wenn Er gute Diener hat. Das ist die Beziehung zwischen der individuellen Seele und Gott. Wenn diese Beziehung zerstört ist, sagt man, die Seele sei in Illusion. Wenn die Beziehung wieder in Ordnung kommt, ist die Seele wieder im Krishna-Bewußtsein situiert ... Wenn wir Gottes transzendentale Qualitäten verstehen, werden wir glücklich und erlangen Frieden.