Re: sex. Missbrauch innerhalb der ISKCON

Krishna-Bewusstsein

Geschrieben von Dr. Berghof am 22. April 2006 20:01:

Als Antwort auf: Re: sex. Missbrauch innerhalb der ISKCON geschrieben von Parivadi das am 21. April 2006 23:22:49:

Das Meiste von dem, was Du hier ergänzend und interessant für uns erläutert hast, lieber Parivadi, ist sicher zutreffend. Auch das mit den Schwierigkeiten nach dem Dahinscheiden eines acaryas.

Ich kann aber keineswegs der folgenden Feststellung mit bezug auf die iskcon Anhänger der ersten Jahre im Vergleich zu späteren Generationen zustimmen:

>Wie ich weiter unten in meinem Beitrag ergänzt habe, sind die Pioniere, die >durchgehalten haben, meist hoch qualifiziert. Dennoch soll sich selbst Shrila >Prabhupada gewundert haben, was da für Personen sich überwiegend angezogen >fühlten. Es war selbst sehr schwierig einfache Prinzipien wie "Vor dem Essen >nach dem Essen Hände waschen nicht vergessen" einzuführen.

Da ich schon sehr lange Zeit mit der Bewegung verbunden bin, kann ich Dir versichern, dass diese Betrachtungsweise etwas stark vereinfachend ist.
Meiner Meinung sind dies noch Legenden, die aus der Harikesh-Zeit der achtziger Jahre stammen könnte, in der seine eigenen Anhänger sich den früheren Devotees weit überlegen fühlten, was nicht unerheblich zum Fall Harikeshas beitrug, aber letztlich von ihm selbst permanent ermutigt wurde, so das viele qualifizierte ältere devotees gingen oder "gegangen wurden".
Du meinst es zwar gut, aber derartige Aussagen werden bei manchen auf schmerzhafte Stellen treffen, weil sie zwar im Unterbweusstsein vieler jüngerer Devotees als realität empfunden werden aber an den menschen vorbeigehen, weil sie auf etwas beruhen, was ich iskcon-Mythologie bezeichne.

Ich schreibe dies auch deshalb, weil immer wieder von Aussenstehenden und konkurrierenden Gruppen die Legende in den Raum gestellt wurde, Srila Prabhupada sie mit seinen ersten Schülern höchst unzufrieden gewesen und die meisten taugten nichts. - Das Gegenteil ist der Fall, was leicht feststellbar ist, wenn man ältere Interviews und Briefe von Srila Prabhupada betrachtet, in denen er immer wieder seine große Zufriedenheit und seine Dankbarkeit gegenüber seinen ersten schülern zum ausdruck bringt: Hier sollte man doch aufpasen , keine unabsichtlichen Vergehen zu begehen.

Allerdings stimme ich Dir zu, dass die genannten Extremfälle von umanchmal extrem willkürlich handelnden Führungspersönlichkeiten definitiv Srila Prabhupadas Missfallen fanden. So wurde Bali Mardan in New York etwa 1976 persönlich von Srila Prabhupada als GBC abgelöst, weil er ethische Reglen der iskcon permanent verletzte. Das waren aber Ausnahmen und es hatte mit der Masse der devotees nichts zu tun. Nur erregten die ausnahmen natürlich viel mehr Aufsehen. Ihre eigentliche Willkür kam aber größtenteils erst nach Srila Prabhupadas Dahinscheiden voll zum Ausdruck, wie Parivadi richtig bemerkt.

In Punkto Sauberleit handelt es sich aber um einen Mythos.
Die Mehrzahl der vielen Tausend ersten Mitglieder mussten sehr hohen Anforderungen an Hygiene, Disziplin und Sauberkeit genügen, bevor sie überhaupt im Tempel leben durften, und das Leben in den Tempeln war weitaus strenger, unbequemer und spartanischer als heute. Hier kann man wirklich nicht sagen, das es generell unfeine Menschen waren. Das wäre ungerecht und beliedigend. Srila Prabhupada erwähnte generell, das die Menschen im Westen eine unfeine Lebenweise haben " wie Katzen und Hunde" und auch heute 2006 sieht man an den Tankstellen dauernd , wie viele sich nach den Klo nicht die Hände waschen: All das bezog sich aber sicher nicht auf Srila Prabhupadas Schüler, die von Anfang an einen sehr hohen Standard and Sauberkeit und Disziplin befolgen mussten, wenn man vielleicht von den ersten Wochen und Monaten absieht, in denen noch kein richtiger Tempel vorhanden war. Trotz der strengen Sauberkeit und Dizsiplin, die in den siebziger Jahren defintiv den Standard vieler heutiger Tempel übertraf (!) wie ich selbst bezeugen kann, war die allgemeine Stimmung in den Tempeln die eine großen Freude, Kameradschaft, Herzlichkeit; Begeisterung und Dynamik. Ich hoffe, Du kannst mir das einfach so glauben, die meisten, die in der damaligen Zeit dabei waren, können es Dir bestätigen. Auch das wort Kameradschaft wurde wirklich gelebt. Srila Prabhupada sagte bekanntermaßen mit Bezug auf die ersten Jahre iskcons : "Those were the happy days." ....Allerdings gab es da auch noch keine so riesige Organisation zu verwalten. :-)

Ich stimme Parivadi voll zu, das die achtziger Jahre zu den schwersten in iskcon gehörten und organisatorisch zumindest global gesehen ein riesiges Durcheinander und eine teilweise Uneinigkeit herrschte. Aber selbst in der Zeit gab es immer noch großartige gemeinsame weltweite Unternehmungen iskcons wie die Kampagne iskcons gegen religiöse Verfolgung in der Sowjetunion, an der sich Millionen von Menschen beteiliogten - und in vielen Teilen der Welt gab es gerade in den Achtzigern eine gewaltige Expansion. Die genannten Fälle von willkürlichen, egozentrisch und an eigener Macht ausgerichteten Führungspersönlichkeiten wie Hansadutta und später seit den Achtzigern Harikesh schufen Probleme, aber nicht alle von ihnen hatten irgendeinen Zusammenhang mit Missbrauchsfällen. Bei Hansadutta gab es zum Beispiel keine solche Fälle.

Ich stimme Dir auch zu, dass nach dem Dahinscheiden Srila Prabhupadas viele starke Gegensätze und ein großes organistorisches Chaos in iskcon entstanden.

Aber es gab keinen Zeitpunkt, an dem iskcon als einheitliche Organisation zu existieren aufhörte oder auch nur weitgehend funktionsunfähig war. Das ist Dir wahrscheinlich bekannt, aber ich möchte dies auch nochmal für den leser betonen. Genannte Extremfälle wie Kirtanananda und seine Anhänger in New Vrindaban wurden nach relativ kurzer Zeit wegen ihres Fehlverhaltens von iskcon ausgeschlossen. In der kurzen Zeit konnten sie aber bereits für viel Unfug sorgen. Es gab also auch in den Achtzigern immer noch ein gewisses Maß an einheitlichen Regeln.

Das bereits vorhandene aber nicht wirklich erkannte Phänomen der Missbrauchsfälle trat in seiner Dramatik erst Anfang der neunziger vollständig in das Bewusstsein der iskcon-Führung und hatte wenig mit dem Problem der zonal acaryas und der regionalen Aufteilung von Kompetenzen zu tun. Einen der positivsten Einflüsse auf den Umgang mit dieser Problematik hatte die Neugestaltung der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit in iskcon, die sich seit Mitte der achtziger Jahre mehr und mehr auch mit den internen Problemen iskcons befasste und sich als Iskcon Communication weltweit vollständig neu formierte. Mit Hilfe von Iskcon Communications und angeschlossenen Arbeitsgruppen setzte sich Anfang der neunziger Jahre verstärkt die Erkenntnis durch, dass Öff3entlichkeitsarbeit nur dann wirklich sinnvoll ist, wenn iskcon offen und bereitwillig zu eigenen Fehlern steht, diese untersucht und sich um Aufarbeitung ubnd Korrektur bemüht. Somit ist iskcon von einer vorher eher defensiven Handlungsausrichtung zu einer bewusst selbstkritischen Haltung übergegangen, die sich hauptsächlich and den Werten Transparenz und Integrität orientiert. Diese Neuausrichtung entspricht voll und ganz den Vaishnava-Werten. Obwohl sich diese Aufarbeitung sicher noch nicht in allen Bereichen gerade der höchsten Führungselite iskcons ganz durchgesetzt hat, in der immer noch teilweise zweifelhafte Privilegien behütet werden, wurde dies Neuausrichtung von den massgeblichen Kräften iskcons und den meisten Mitgliedern voll unterstützt. Damit wurde der entscheidende Umschwung in iskcon bewirkt, der das Überleben und gesunde Wachstum iskcons auch in der Zukunft gewährleitset.

Bei dieser positiven Neugetsaltung war Parivadi Prabhu nach meinen Informationen als fleißiges und konstantes Mitglied von Iskcon Communications in Deutschland auch maßgeblich beteiligt. Glückwunsch dazu und weiter so !

Meint D. Berghof :-)



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