Wer bin ich?
lles
um uns herum ist mystisch, letztlich unbegreiflich. Wie funktioniert
z.B. unser Körper? Die meisten Vorgänge sind uns gar nicht bewusst.
Die Haare wachsen, die Atmung versorgt uns Tag und Nacht, das Herz
schlägt, die Stoffwechselfunktionen arbeiten ununterbrochen nach
den vorgegebenen Gesetzmäßigkeiten. Der nach außen gerichtete Mensch
identifiziert sich stark mit diesem Körper und mit allem, was im
Einflussbereich des Körpers steht, z.B. dem Eigenheim und dem Auto.
Aber sind wir wirklich imstande, unseren Körper und unseren Besitz
zu kontrollieren? Jeder ehrliche Mensch muss zugeben, dass dies
nicht der Fall ist. Da die Seele, also das Selbst, nicht mit dem
Körper und auch nicht mit der Umgebung identisch sondern verschieden
von ihnen ist, stehen weder unser Körper noch unsere Umgebung unter
unserer Kontrolle. Wir können durch unsere Entscheidungen zwar Einfluss
ausüben, letztlich aber das, was geschehen muss, nicht verhindern,
z.B. das Alter oder den Tod.
Ein kleines Experiment mag uns veranschaulichen,
dass selbst unsere Gedanken nicht mit uns identisch sind:
Schritt 1: Denken Sie darüber nach, dass Sie jetzt
bald die rechte Hand hochstrecken werden.
Schritt 2: Sagen Sie still für sich "Ich hebe jetzt die Hand
hoch."
Schritt 3: Sagen Sie still für sich "Liebe Hand, bitte gehe
jetzt hoch!"
Hat sich Ihre Hand schon nach oben bewegt?
Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann heben
Sie jetzt einmal die Hand hoch. Wiederholen Sie den Vorgang ein
paar Mal. Versuchen Sie einmal darüber nachzudenken, wie es kommt,
dass sich die Hand gerade zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt hochhebt!
Sie werden feststellen, dass es überaus unerklärlich ist, wie dies
alles vonstatten geht. Das Denken hat den Vorgang jedenfalls nicht
direkt ausgelöst. Man kann lange über Verschiedenes nachdenken,
aber Taten hängen von anderen Faktoren ab. Erst der Entschluss,
etwas zu tun, scheint uns der Ausführung einer Handlung näherzubringen.
Aber es ist fast unmöglich, den Entschluss selbst geistig festzuhalten.
Einmal ist er da und ein anderes Mal nicht. Wir kennen das, wenn
wir morgens aufwachen und aufstehen möchten oder auch nicht. Wenn
man das ganze geistig verfolgt, dann gibt es irgendwann einmal den
Moment, zu dem sich der Körper erhebt. Man freut sich dann oft,
dass man es irgendwie pünktlich geschafft hat rauszukommen; und
dann folgt vielleicht der Gang zum Bad, unheimlich komplizierte
biophysische Abläufe, die den relativ schweren Körper in Gang bringen,
ihn im Gleichgewicht halten, damit er nicht gegen die Wand stürzt,
und man könnte die Geschichte unendlich ausdehnen. Wir wünschen
uns so manches, aber nicht alles verläuft erwartungsgemäß.
Selbst unsere Gedanken machen sich oft unabhängig
von uns. Versuchen wir einmal, dem Gedankenspiel zu entkommen, die
Gedanken anzuhalten. Es gelingt uns kaum. Selbst große Yogis haben
damit Schwierigkeiten, und im Zeitalter der Information wird der
Geist ständig mit Eindrücken bombardiert. Viele kommen damit nicht
zurecht, verlieren die Übersicht und müssen ggf. in Behandlung.
In manchen Beratungsstellen wird dem Menschen dann gesagt: Sei erfolgreich!
Du bist gut! Du schaffst es! Es bleibt jedoch die Frage: Was will
ich schaffen?
Die moderne Wissenschaft gibt vor, sie werde bald
den Durchbruch auf so manchem Gebiet erreichen. Aber stimmt das
wirklich? Wenn wir uns den Erdplaneten anschauen, dann sehen wir
mehr Übel als je zuvor: stinkende Ölmassen aus ausgelaufenen Tankern
verdrecken Meer und Strände. Denaturierte Lebensmittel schwächen
uns, machen uns krankheitsanfällig und impotent. Die Genusssucht
und Entfremdung von Mutter Natur machen uns liebesunfähig. Wir werden
mehr und mehr zu Sklaven in den Händen der modernen Technik und
Informationsgesellschaft. Wer dabei "cool" bleibt, gilt
als erfolgreich und glücklich. Es geht hauptsächlich darum, gut
auszusehen, mit weißen Zähnen zu strahlen (auch wenn es Prothesen
sind).
Aber wer ist wirklich glücklich bei dem stets wachsenden
Angebot? Es ist höchste Zeit, sich zu fragen, wer man eigentlich
ist, und welche Stellung man im Kosmos einnimmt. Ergibt es überhaupt
einen Sinn, in diesem relativ kurzen Leben nach so vielen weltlichen
Gütern zu streben?
Wisse, das was den gesamten Körper durchdringt, ist unzerstörbar.
Niemand ist imstande die unvergängliche Seele zu zerstören.
Für die Seele
gibt es zu keiner Zeit Geburt oder Tod. Sie ist nicht entstanden,
sie entsteht nicht, und sie wird nie entstehen. Sie ist ungeboren,
ewig, immerwährend und urerst. Sie wird nicht getötet, wenn
der Körper getötet wird.
Die Seele
kann weder von Waffen zerschnitten, noch von Feuer verbrannt,
noch von Wasser benetzt, noch vom Wind verdorrt werden.
(Bhagavad-gita 2.17,
2.20, 2.23)
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